Fachsprache ist die zentrale Herausforderung der Einfachen Sprache. Kurze Sätze – kein Problem. Das bekommt man beim Schreiben und Sprechen mit etwas Disziplin hin. Höchstens ein Nebensatz – auch das lässt sich beim Schreiben und Überarbeiten von Texten (Redigieren) unter Kontrolle bringen. Aber einen Fachbegriff so zu umschreiben, dass sein Sinn von Laien verstanden wird, ohne daraus einen Volkshochschul-Vortrag werden zu lassen? Eine solche Herausforderung lässt Viele scheitern.
Schwere Begriffe sind in der Einfachen Sprache nicht erwünscht. In meinen Workshops zeigen die Teilnehmer große Bereitschaft, ihre Fachsprache auf den Prüfstand zu stellen. Aber wenn es an die praktischen Übungen geht, ist der Prüfstand schnell vergessen. Es stellt sich das Problem: Raus aus der Fachsprache – doch wo ist der Ausgang?
Beherrschung einer Fachsprache wird mit Qualifikation gleichgesetzt
In meinen Workshops bin ich der Laie. Die Teilnehmer sind in der Regel lange in ihrem Beruf. Ihre Fachsprache haben sie schon während der Ausbildung und/oder an der Universität gelernt. Im Laufe der Berufsjahre haben sie die Fachsprache verinnerlicht. Fachsprache ist ihre Normalsprache. Den Übergang zur tatsächlichen Normalsprache erkennen sie nicht. Ihnen wurde von Dozenten und Ausbildern beigebracht, nur wer sämtliche Fachbegriffe kennt, schafft Prüfungen und ist anschließend gut in seinem Job.
Fachsprache wird gleichgesetzt mit Seriosität und Anerkennung – innerhalb des eigenen Berufskreises. Man schreibt nicht für den Empfänger der Information, sondern besonders sachkundig für den/die Vorgesetzte/n, um sich zu profilieren. Man schreibt nicht für den Kunden, sondern für denjenigen, der den Text absegnen muss. Ganz schlimm sind Juristen. Sie formulieren einen Text fachlich so (über)korrekt, dass dieser im Extremfall vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten könnte. Verständlich schreiben, das wird gleichgesetzt mit Laienverständnis.
Jeder ist sein eigener Übersetzer
Dass man schwere Inhalte verständlich kommunizieren kann, liegt außerhalb der Vorstellungskraft.
Die Anerkennung in der fachfremden Außenwelt spielt dagegen eine untergeordnete Rolle. Das verwundert eigentlich: Denn spätestens nach der Hochschulzeit sollte man in der Lage sein, sein Fachwissen in zwei Versionen bereitzuhalten: die erste für den Kollegenkreis, die zweite für das Laienpublikum. Jeder sollte die Befähigung haben, sein Fachwissen in verständliche Sprache zu übersetzen. Im Kopf das Fachwissen, aus dem Mund kommt die verständliche Version. Man ist sein eigener Simultandolmetscher. Doch das wird während der Ausbildung und im Studium nicht gelernt. Oder nur unzureichend.
Wenn Fachleute mit ihrem Thema in die Medien wollen, erwarten sie, dass der Journalist/die Journalistin die Übersetzungsarbeit von der Fachsprache in die Zeitungssprache leistet. Doch Journalisten sind keine Übersetzer. Sie haben die Aufgabe, einen Experten so lange zu befragen, bis dieser sein Thema so erklärt hat, dass der Journalist es in der Zeitung für die Leser darstellen kann. Der Experte darf nicht unkontrolliert dem Schreiber die Vereinfachung seines Themas überlassen. Der Experte hat die Verantwortung zu entscheiden, wie viele Abstriche von seiner Fachsprache zulässig sind, ohne den Inhalt falsch werden zu lassen.
Tief verstrickt in die eigene Fachsprache
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit zwei jungen Wissenschaftlern für einen Artikel in einem Magazin. Die Unterhaltung dauerte im Vergleich zu Interviews, die ich üblicherweise führe, sehr lange. Die Beiden waren in ihre Fachsprache tief verstrickt. Die war gespickt mit vielen englischsprachigen Wissenschaftsbegriffen. Sie unternehmen einige (sprachliche) Anläufe, um mir ihren Forschungsgegenstand verständlich zu erläutern. Sie haben sich für das schwierige Gespräch sogar entschuldigt. An der Universität hätten sie nie gelernt, sich einfach auszudrücken.
Gehört komplizierter Satzbau zur Fachsprache?
Doch was ist Fachsprache? Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Sie setzt sich aus zwei Komponenten zusammen.
1. Fachbegriffe
Das sind zum einen die Fachbegriffe. Sie bringen in einem Wort einen (umfangreichen) Sachverhalt präzise auf den Punkt oder beschreiben Abläufe. Fachbegriffe ersetzen sozusagen lange Erläuterungen. Sagt der Internist „Splenektomie“, weiß der Chirurg was zu tun ist. Er entfernt die Milz in der für das Krankheitsbild angemessenen Weise.
2. Satzbau und Schreibstil
Schaut man sich Fachtexte insgesamt an, stellt man fest, Fachbegriffe sind für das allgemeine Verständnis meistens das geringere Problem. Fachtexte sind schlicht deswegen schwer zu lesen und zu verstehen, weil sie unnötigerweise kompliziert geschrieben sind. Ist es für die Seriosität eines Fachtextes zwingend notwendig, dass
- der Satzbau einem Labyrinth gleicht,
- eigenständige Wörter zu einem Bandwurm aneinandergekettet werden,
- die Sätze ewig lang sind,
- unzählige Nebensätze den Hauptsatz umranken und ersticken,
- Substantivierungen den Durchblick erschweren ebenso wie
- Passivkonstruktionen,
- Fremdwörter eingebaut werden, die nicht zum Fachthema gehören und überflüssig sind, weil normales Deutsch in jedem Fall verständlicher ist.
- zig Gedanken in einen einzigen Satz gepackt werden?
Ich denke, das alles ist nicht notwendig, um sein Fachwissen zu vermitteln. Die Seriosität wird mit Kompliziertheit künstlich hochgeschraubt. Das Gegenteil der Liste ist die Einfache Sprache. Mein Ansatz deckt sich mit dem „Hohenheimer Index“. An der Universität Hohenheim wurde dieser entwickelt, um Wissenschaftssprache verständlich zu machen. Herausgekommen ist TextLab. Auch ich verwende dieses Programm (mein Blogbeitrag dazu).
Beachtet man diese Regeln, werden Texte allein dadurch verständlich. Am Inhalt sind mit dem Umbau der Sätze keine Abstriche gemacht. Es bleiben die Fachbegriffe. Doch auch die kann man vereinfachen. Doch sie zu umschreiben, das will gelernt sein.
Schwere Begriffe zu umschreiben – ist eine große Herausforderung
In meinen Workshops bin ich der Laie. Denn ich kenne die Fachsprache meiner Workshop-Teilnehmer oberflächlich – wenn überhaupt. Sie kommen hauptsächlich aus der Verwaltung und öffentlichen Einrichtungen. Durch meine journalistische Arbeit behaupte ich, dass mein Wortschatz sehr groß ist und ich in viele Themen einen Einblick habe. Für einen Verlag schreibe ich Unternehmenporträts. In jeder Firma existiert ein spezieller Wortschatz rund ums Produkt und seine Fertigung. Wenn man jedes Mal die Erklärungen des Firmenchefs in Zeitungssprache bringen muss, entwickelt man eine sprachliche Flexibilität.
Wenn ich einen Fachbegriff nicht verstehe, dann ist er erklärungsbedürftig. Ich frage dann nach einer verständlichen Umschreibung. Dies misslingt dem Teilnehmer im Workshop in der Regel. Es ist eine große Herausforderung, aus dem Stegreif einen schweren Begriff so zu umschreiben, dass darin kein weiterer schwerer Begriff vorkommt.
Training ist notwendig
Das ist der große Fehler der meisten Handbücher: In den Begriffserklärungen wimmelt es von Fachwörtern, die nur weitere Verwirrung statt Klarheit schaffen. In meinen Workshops gibt es dazu Tipps, wie man Fachsprache und Fachbegriffe verständlich macht. Die Tipps werden als hilfreich empfunden. Aber die Teilnehmer müssen weiter üben, um Praxis zu bekommen.
Notorische Fachsprache – der Duden Leichte Sprache
Ein Beispiel notorische Fachsprache ist meines Erachtens der Duden-Ratgeber Leichte Sprache. Den wollte ich im Unterricht und in den Workshops einsetzen…
Ich zitiere einen (beliebigen) Satz auf der Seite 198 und bitte um eine Übersetzung in die Normalsprache, die meine Teilnehmer verstehen.
“Leichte Sprache ist eine Varietät des Deutschen, deren Lexikon sich u.a. durch hohe Gebrauchsfrequenz, große diskursive Reichweite, Medienneutralität, denotative Präzision, konnotative und stilistische Neutralität sowie morphologische, graphematische und phonologische Einfachheit auszeichnet.”
Duden Leichte Sprache, Seite 198
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