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Gender und Einfache Sprache – geht eigentlich nicht

Lesedauer 3 Minuten

Von Uwe Roth, 24.01.2019

Die gender-gerechte Sprache ist ein großes Hindernis in der Leichten/Einfachen Sprache: „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“, „Mitarbeiter*innen“, „MitarbeiterInnen“, Mitarbeiter:innen usw. Für Schlechtleser (oder Schlechtlesende?) sind solche Doppelungen schwierig, wenn diese häufig in einem Text vorkommen. Es kommt oft genug vor, dass wegen Gender-Neutralität die Leichtigkeit eines Textes abhandenkommt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfDS) ist für das Gendern. Doch sie hält Gender-Sternchen oder Gender-Doppelpunkte bei staatliche Stellen für falsch. Die GfDS betont, dass das Gendern die Verständlichkeit der Sprache nicht trüben dürfe.

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Im englisch-sprachigen Raum ist es einfach: In Plain Language (Einfache Sprache) muss selten auf die weibliche Form Rücksicht genommen werden. Für Plain Language wird eine ISO vorbereitet. Für die Leichte und Einfache Sprache jeweils eine eigene DIN, an denen ich mitarbeite. Ich bin gespannt, ob es Regeln für die Verwendung von Gender-Sprache geben wird und falls ja, wie diese formuliert sein werden.

Es gibt aus fachlicher Sicht viele Argumente, Gender-Formulierungen für die Leichte und Einfache Sprache abzulehnen. Aber so einfach ist das nicht. Gender-Gerechtigkeit steht offensichtlich über der Verständlichkeit.

Uwe Roth, Texter und Berater für die Einfache Sprache

Die Nachteile der Gender-Sprache für die Verständlichkeit ist offensichtlich. Trotzdem kann ich Gender-Sprache in meinen Texten meistens nicht verhindern. Die Auftraggebenden bestehen darauf. Sie haben zwar Verständnis für meine Argumente. Aber das ist nicht ausschlaggebend.

Am Anfang eines Texts steht die Gender-Erklärung – doch warum?

Ich kann gut nachweisen, dass ich Gender-Gerechtigkeit sehr ernstnehme. Doch am Ende läuft es darauf hinaus, dass die *-Erweiterungen fürs weibliche Geschlecht im Dokument vorkommen müssen. Meistens werden irgendwelche hausinterne Beschlüsse ins Feld geführt.

Viele Texte in Leichter Sprache, die im Internet veröffentlicht werden, beginnen mit einer Gender-Erklärung. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung ist das ein Raus-Schmeißer aus dem Text. Ein Beispiel ist die Internet-Seite des Sozialministeriums von Baden-Württemberg. Der Einstieg in den Corona-Text in Leichter Sprache beginnt so:

Diese Erklärungen zur Corona-Verordnung 
sind in leichter Sprache geschrieben. 
So sind sie besser zu lesen. 
Wir schreiben in der männlichen Form. 
Zum Beispiel schreiben wir: Bürger. 
Damit meinen wir Bürger und Bürgerinnen.

Sozialministerium Baden-Württemberg

Es gilt im Journalismus die goldene Regel, dass ein Text mit einer Nachricht zu beginnen hat. Lesende wollen im ersten Satz erfahren, warum sie weiterlesen sollen. Das gilt umso mehr für Schlechtlesende. Eine Gender-Erklärung ist keine Nachricht. Wer Informationen über Corona erwartet, wird erst mal enttäuscht. Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung verstehen in der Regel den Zusammenhang zwischen der Gender-Erklärung und Corona nicht.

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Das ist nur ein Beispiel. Die Liste könnte beliebig verlängert werden. Die Einfache Sprache kommt mit Gender-Formulierungen besser zurecht. Aber auch sie könnte besser darauf verzichten. Für den BUND und den Paritätischen Gesamt-Verband habe ich einen politischen Forderungskatalog überarbeitet. Im Original stehen Begriffe wie Bürger*innenenergie, Erzeuger-/Verbraucher*innen-Gemeinschaften, Bürger*innenstromprodukten oder Expert*innenkommission.

Da konnte ich nur wenig eingreifen: Bürger*innen-Energie oder Energie für Bürger*innen. Mehr war aber nicht drin. Es ist geradezu ein Tabu nachzuhaken, ob sich die Diversen, Nicht-bipolaren in der Gender-Sprache wiederfinden? Haben diese Menschen nicht ebenfalls ein Anrecht auf gender-gerechte Sprache?

Hartnäckige Verfechterinnen fürs Gendern

Gegen hartnäckige Verfechter (Verfechtenden?) der gender-gerechten Sprache ist schwer anzukommen. Ich hatte beim Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) in Bonn einen Workshop mit weiblichen Mitarbeitern aus Universitäten. Ja, es waren im Kurs ausschließlich Frauen. Sie kümmern sich um die ausländisch Studierenden und wollten ihre Kommunikation verständlicher machen. Die Ansprache ist bisher stark vom Deutsch der Verwaltung geprägt. Die Teilnehmerinnen ließen sich auf die Grundsätze der Einfachen Sprache und fanden sie sehr hilfreich für ihre Arbeit.

Uwe Roth ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung (DIN). Dort entstehen zwei Regelwerke: Eine DIN Spec 33429 Leichte Sprache sowie eine DIN 8581-1 Einfache Sprache. Uwe Roth arbeitet an beiden Regelwerken intensiv mit. Zusätzlich entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language (Einfache Sprache). Diese wird in einer DIN umgesetzt. Zu meinem Blog.

Nur an einem Punkt wollten sie nicht von ihrem Sprachstil abweichen – bei den Genderformulierungen. Sie argumentierten, entsprechende Vorschriften ihrer Arbeitgeberin (wegen „die Universität“) ließen keine Vereinfachung zu. Aber auch aus persönlichen Gründen bestanden die Frauen auf Geschlechter-Gerechtigkeit. Ob die Einfache Sprache darunter leidet, war egal.

Warum nicht „Sehr geehrte Menschen“ oder „Liebe Menschen“

Es klingt ungewohnt: „Sehr geehrte Menschen“ als Anrede in einem Brief oder einer Mail. Und warum auch nicht im Text selbst öfter „Mensch“ schreiben, anstatt „Frauen und Männer“? Ich mache das so und verwende auch gerne „Person“ als neutrale Formulierung.

Junge Menschen scheinen da bereits weiter zu sein. Im Rahmen eines Schülerwettbewerbs der Landeszentrale für politische Bildung habe ich Wettbewerbsarbeiten bewertet. Eine Aufgabe war, eine Rede zu einem aktuellen Thema zu schreiben. Die jungen Menschen begannen ihre Texte nicht mit, „Sehr geehrte Damen und Herren“, sondern mit „Liebe Erdenmenschen“, „Liebe Erdbevölkerung“ oder auch mit „Liebe Menschen“. Ich finde das liebenswert. Außerdem geht nicht mehr Geschlechter-Neutralität. Schließlich sind wir alle Menschen – egal ob Frau, Mann, Divers, Christ, Moslem

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