Werbung für die Leichte und Einfache Sprache boomt. Dabei mischen sich aber Mythen unter die Fakten. Gewollt oder ungewollt. Das rührt daher, dass es (noch) keine Standards gibt. Jede/r nimmt für sich in Anspruch, das perfekte Produkt anzubieten. Mich ärgert das. Denn ich beobachte, dass Anbieter Leichte oder Einfache Sprache so definieren, wie es ihrem fachlichen Können entspricht – oder ihrem KI-gestützten Sprachmodell.
Interessenten an einem Text in Leichter oder Einfacher Sprache haben nach meiner Akquise-Erfahrung meistens keine Ahnung von der Materie. Müssen sie auch nicht. Aber sie brauchen eine unabhängige Beratung, bevor sie sich für einen Anbieter entscheiden. Denn ansonsten haben sie keine andere Wahl, als sich blind drauf zu verlassen, dass ihnen das Passende und nichts Falsches verkauft wird.
Siehe auch Interview im Staatsanzeiger BW: DIN Einfache Sprache stärkt Demokratie“
Künstliche Intelligenz wird Fakt
Besonders verlockend sind in jüngster Zeit KI-gestützte Programme, die vorhandene Texte überarbeiten. Manche sagen auch übersetzen dazu. Solche Programme sind günstig, manche sogar kostenlos, im Vergleich zu schreibenden Menschen, die von Honoraren leben müssen.
Wer in Zukunft große Mengen von Dokumenten in Leichter und/oder Einfacher Sprache in Umlauf bringen möchte, wählt aus durchaus verständlichen Gründen die KI. Doch kann KI tatsächlich Leichte und Einfache Sprache?
Siehe auch Künstliche Intelligenz schreibt in Einfacher Sprache/Plain Language
Fakten basierte Beratung gegen Mythen
Der Markt ist unübersichtlich geworden. Mythen und Fakten vermischen sich. Aus meiner Sicht müssen Interessenten an einer Dienstleistung zumindest Grundkenntnisse von der Leichten und/oder Einfachen Sprache haben – oder sich von kompetenter Seite beraten lassen. Wo liegen die Unterschiede zwischen beiden Sprachformen? Welche Sprachform ist für den adressierten Personenkreis die richtige? Können sich KI-gestützte Sprach-Modelle der Lese-Erwartung einer Zielgruppe anpassen?
Ich berate gerne – Fakten basiert. Als Mitglied in den DIN-Gremien für die DIN SPEC 33429 Leichte Sprache und DIN 8581-1 Einfache Sprache beantworte ich Ihre Fragen fachgerecht und unabhängig. Ich verkaufe meinen Kunden Beratung. Ich biete mich aber nicht dauerhaft als Texter an. Außer die Konditionen stimmen.
Mythos: Ein autorisiertes Regelwerk für Leichte Sprache
Mythen und Fakten Leichte und Einfache Sprache: Der älteste Mythos ist, dass die Leichte Sprache einem offiziellen Regelwerk unterliegt, die Einfache Sprache dagegen nicht. Das ist eine falsche Annahme. Diese hat der Leichten Sprache aber zum Ruf verholfen, dass sie anscheinend nach wissenschaftlichen Erkenntnissen funktioniert und staatlich (oder zumindest vom Duden) anerkannt ist.
Nehmen Sie mit mir (Uwe Roth) Kontakt auf, wenn Sie mehr über die DIN ISO 24495-1 und DIN 8581-1 Einfache Sprache/Plain Language wissen möchten. Ich bin einer der führenden Experten und sage Ihnen, welches Potenzial sich aus diesen Normen für die Kommunikation Ihres Unternehmens, Ihrer Verwaltung oder Organisation ergeben. Einfache Sprache ist moderne Kommunikation. Eine Einführung geht wahlweise online, oder ich komme zu Ihnen. Kontaktformular.
Fakt ist aber, weder für die Leichte noch für die Einfache Sprache gibt es bis jetzt ein autorisiertes Regelwerk. Das ändert sich mit den oben genannten DIN-Werken (DIN = Deutsches Institut für Normung e. V.). Sie sollen die frei (im Internet) zirkulierenden Regelwerke ersetzen. Doch beide Normen werden nicht zu einer Vorschrift. Die DIN SPEC 33429 Leichte Sprache ist als Empfehlung formuliert.
Fakt: Textende sollten DIN respektieren
Texterinnen und Texter sollten sich dennoch an die DIN-Regeln halten, sollten sie an einem Standard Interesse haben (müssten sie eigentlich). Auftraggeber sollten künftig nur noch Texte akzeptieren, die den Normen entsprechen. Denn nur dann können sie kontrollieren, ob der Inhalt für die Zielgruppe verständlich ist.
In Texten, die die Leichte oder Einfache Sprache bewerben, fällt auf, dass die künftigen DIN-Regeln nie erwähnt werden. Die Regeln sind im Detail noch nicht veröffentlicht. Doch dass es die Normen geben wird, müsste sich in der Community herumgesprochen haben. Daraus schließe ich, dass manche Anbieter trotz der Normen bei ihren eigenen Regeln bleiben werden.
Siehe auch Leichte und Einfache Sprache: Wer will die DIN tatsächlich?
Mythos: Sprach-Stufen garantieren Grad der Verständlichkeit
Mythen und Fakten Leichte und Einfache Sprache: Ein Mythos ist, dass sich der Schwierigkeitsgrad eines Textes den Sprach-Niveau-Stufen A1-C2 zuordnen lässt. A1 entspricht demnach der Leichten Sprache und A1/B1 der Einfachen Sprache. Die DIN-Werke machen diese Einteilung, die sich im Wesentlichen auf den Wortschatz bezieht, allerdings nicht. Allein aus diesem Grund werden Anbieter, die mit den Sprach-Niveau-Stufen werben, der Norm nicht gerecht werden.
Diese Anbieter versichern nicht, „dass unsere Texte dem Niveau der Einfachen Sprache entsprechen“. Stattdessen werden „Texte auf der Sprachstufe B1“ angeboten. Die Regeln und der zugrunde gelegte Wortschatz bleiben mit dieser Kategorisierung verborgen.
Den allgemeinen Wortschatz gibt es nur noch bedingt
Fakt ist: Nirgendwo gibt es Datenbanken, in denen Wortschätze nach unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden hinterlegt sind. Wie nie zuvor unterliegt der allgemeine Wortschatz einem schnellen Wandel. Dazu kommen ständig neue Begriffe aus den Fach- und Nischen-Sprachen, die inzwischen die Mundart ersetzen. Für Autor*innen der Leichten und Einfachen Sprache ist es herausfordernd festzulegen, was sie als allgemein bekannt voraussetzen können.
Die Sprach-Niveau-Stufen A1-C2 gehören zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen. Sie teilen das Lernen einer Fremdsprache in verschiedene Abschnitte: A1 und A2 sollen den Lernenden befähigen, sich in seiner neuen Umgebung zurechtzufinden. „Hallo, mein Name ist… Ich hätte gerne dieses Brot. Können Sie mir den Weg zum Bahnhof zeigen?“ etc.
Mythos: Wortschatz ergibt klare Zuordnung
Ab Sprach-Niveau-Stufe B1 differenziert sich der Wortschatz. Die einen brauchen die richtigen Worte, um sich zu bewerben. Andere wollen eine deutsche Schule besuchen. Andere haben eine Hilfstätigkeit in einem Lager gefunden. Um sich zu verständigen, ist nun ein spezifischer Wortschatz nötig.
Mythen und Fakten Leichte und Einfache Sprache: Aus meiner Sicht ist es nicht möglich, mit der Sprachstufe B1 jedes Thema abzudecken. Wer (politische) Nachrichten auf der Sprachstufe B1 schreibt, verwendet andere Wörter als jemand, der einen Text zur Gesundheit schreibt.
Wer legt nun fest, welche Wörter diesem Sprach-Niveau zu einem bestimmten Thema entsprechen? Ich habe da schon Gruseliges gelesen. Das lag vor allem daran, dass der oder die Schreibende nach dem eigenen Wissen, also subjektiv, festlegt, was die Leser verstehen und was nicht. Da wird ein Fachbegriffe erklärt, weil dieser für erklärungsbedürftig gehalten wird. Ein anderer wiederum nicht, weil man davon ausgeht, dass dieser zum allgemeinen Wissen gehört. Das ist alles sehr subjektiv – läuft aber unter dem Siegel B1. Beispiel auf der Nachrichten-Seite in Leichter Sprache der Bundesregierung.
(Ende Teil 1)
Siehe auch Mythen und Fakten Leichte + Einfache Sprache (II)
Siehe auch Mythen und Fakten Leichte + Einfache Sprache (III)
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