Mythen und Fakten Leichte + Einfache Sprache (III)

Lesedauer 3 Minuten

Der April 2024 ist ein besonderes Datum für die deutsche Sprache: Die beiden sich ergänzenden Normen für die Einfache Sprache sind nun öffentlich. Mein Anlass, die Serie über Mythen und Fakten Leichte + Einfache Sprache um einen Teil III zu erweitern. Die DIN ISO 24495-1 und die DIN 8581-1 erweitern unser Verständnis von korrekter Sprache bezüglich

  • Grammatik und Rechtschreibung

um die Faktoren

  • Verständlichkeit und Auffindbarkeit.

Nun steht fest: Die Einfache Sprache ist keine um einen Schwierigkeitsgrad hochgestufte Version der Leichten Sprache. Sie steht aus meiner Sicht für eine Standardsprache mit Zukunftspotenzial.

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Einfache Sprache ist keine erweiterte Form der Leichten Sprache

Mythos: Die Einfache Sprache geht aus der Leichten Sprache hervor. Sie ist fehlende Stück zwischen der Leichten Sprache und der Alltagssprache.

Ich habe das ähnlich gesehen. Wobei bei mir der Fokus der Einfachen Sprache auf der Brücken-Funktion zwischen Fachsprache und Alltagssprache lag. Allgemein wird Leichte Sprache als die Garantin für Verständlichkeit betrachtet.

Das ist auch ein Mythos und kein Fakt in Betrachtung von Leichter und Einfacher Sprache.

Ein Satz ist nicht automatisch verständlich, wenn dieser den Regeln der Leichten Sprache sowie dem Wortschatz entspricht.

Folgende lineare Betrachtung hat sich mit der DIN ISO 24495-1 Einfache Sprache/Plain Language als Modell überlebt:

  • Leichte Sprache (Menschen mit Lernschwierigkeiten) → Einfache Sprache (Schlecht-Lesende) → Alltags-/Standard-Sprache (Normal-Lesende) → Fachsprache (Fachpublikum).

Leichte Sprache und Fach-Sprachen sind Sonder-Sprachen – Einfache Sprache nicht

Fakt: Einfache Sprache ist eine moderne Form der Kommunikation für sämtliche Gebrauchstexte. Sie wendet sich nicht an eine besondere Zielgruppe, sondern an alle Menschen, denen der Text in die Hände fallen könnte. Die Leichte Sprache sowie die Fachsprachen werden damit zu Sonder-Sprachen. Einfache Sprache ist wiederum keine Sonder-Sprache.

Beide Sprachformen richten sich an einen Personenkreis, der in sich weitgehend geschlossenen ist. Für die (geplante) DIN SPEC 33429 Leichte Sprache besteht die Zielgruppe im Wesentlichen aus Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistige Behinderung.

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Fachsprache ist ein Kapitel für sich

Ich finde das problematisch. Die Zielgruppe ist heterogen und nicht homogen, wie es die DIN suggeriert. Außerdem soll die Norm für den gesamten deutsch-sprachigen Raum gelten, also ebenso für Österreich und Schweiz. Wie kann es einen Wortschatz geben, den Menschen mit Lernschwierigkeiten zwischen Flensburg und dem Burgenland (Österreich) gleichermaßen verstehen?

Fachsprache ist in Ordnung: Wenn die Texte intern bleiben und es keinen Grund gibt, diese für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Allerdings sollten Fachleute in der Lage sein, Inhalte verständlich zu erklären, wenn es darauf ankommt. Wissenschaft wird überwiegend über Steuern finanziert. Es ist ein demokratischer Akt, Fachwissen zugänglich zu machen. Und dann sind wir wieder bei der Einfachen Sprache.

Diskussion zum Unterschied von Leichter und Einfacher Sprache auf LinkedIn

In einem Beitrag auf LinkedIn hat ein Kommentator den Unterschied zwischen der Leichten Sprache und der Einfachen Sprache so erklärt:

Aufzüge (#LeichteSprache) bieten einen direkten Weg, um Hindernisse zu überwinden. Sie sind speziell für Menschen mit Einschränkungen wie Rollstuhlfahrer*innen und Eltern mit Kinderwägen konzipiert. Ähnlich wie die Leichte Sprache mit ihren klaren Regeln für maximale Verständlichkeit und Wahrnehmbarkeit, sind Aufzüge ein sichtbares Zeichen für #Barrierefreiheit.

Rolltreppen (#EinfacheSprache) repräsentieren den Versuch, Sprache zu vereinfachen und Informationen allgemein zugänglicher zu machen. Sie laden dazu ein, mühelos voranzukommen und das Ziel zu erreichen. Natürlich ist die etwas komplexere Einfache Sprache nicht für jeden geeignet. Dennoch ermöglicht sie vielen Menschen, die Schwierigkeiten haben, fachliche Texte wie beispielsweise medizinische Informationen zu verstehen, den Zugang zu diesen Inhalten.“

Kommentar auf LinkedIn

Einfache Sprache ist kein Hilfsmittel

In dieser Definition hat der Kollege die DIN ISO nicht berücksichtigt. Deswegen lautete mein Kommentar dazu:

  • Leichte Sprache = Treppen-Lifter
  • Einfache Sprache = Treppe mit geringer Neigung und Stufenhöhe
  • Fachsprache = hochgestellte Leiter

Erklärung: Leichte Sprache ist ein Hilfsmittel. Der Treppen-Lifter kommt über eine gewisse Höhe nicht hinaus. Leichte Sprache muss immer im Kontext der Zielgruppe Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung (kognitiver Einschränkung) gedacht werden. So wird es auch in der DIN SPEC 33429 stehen.

Ich habe das Gefühl, Textende, die Leichte Sprache als Dienstleistung anbieten, haben sich nie näher mit diesem Menschenkreis beschäftigt. Mitglieder von Prüfgruppen ersetzen den persönlichen Bezug nicht. Prüfer*innen sind geschult und verfügen über Lese-Routine. Sie müssen Texte nicht finden, sondern bekommen diese in die Hand gedrückt. Folglich stehen sie im Verständnis von Texten über ihrer Zielgruppe.

Bild von der flachen Treppe für die Einfache Sprache

Einfache Sprache ist eine Sprache für Alle. Nach den Regeln von DIN ISO und DIN 85181-1 müssen Texte für die meisten Lesenden aus eigenem Antrieb und ohne Unterstützung von außen zu bewältigen sein. Daher das Bild von der flachen Treppe. Man ist auf ihr zwar länger unterwegs, kommt aber eigenständig ans Ziel.

Fachsprache ist eine Sprache für Fachleute, die sich nicht an die Öffentlichkeit wendet. Eine steile Leiter setzt Übung und Kondition voraus. Wer beides hat, kommt schnell ans Ziel.


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