Leichte oder Einfache Sprache?

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Leichte oder Einfache Sprache – das stiftet Verwirrung. In meinem Unterricht an Fachschulen für soziale Berufe zum Thema barrierefreie Kommunikation muss ich als erstes den Unterschied zwischen beide Begriffe erläutern. Vor allem muss ich begründen, warum ich für mich die Einfache Sprache gewählt habe und nicht die Leichte, die doch sehr viel populärer ist.

Das stimmt. Wenn ich in Google „Einfache Sprache“ (ES) eingebe, kommt die Rückfrage „Meinen Sie Leichte Sprache?“.

In der Ergebnisliste gehen die Seitenvorschläge wild durcheinander: Einfache Sprache, Leichte Sprache (LS), Leichte Sprache, Einfache Sprache… usw. Dieses Durcheinander gibt die Stimmung in der Übersetzer-/Texter-Szene wieder.

Unterschiede sind philosophischer Art

Ich werde oft gefragt, worin nun die Unterschiede zwischen LS und ES liegen? Mir fällt es – ehrlich gesagt – schwer, darauf eine schlüssige Antwort zu geben. Von der ES ausgehend sage ich dann, die LS erlaubt nur ganz kurze Sätze und Wörter, keinen Nebensatz, dafür Illustrationen, Zahlen in Ziffern und so weiter… Ich stelle dann selbst fest, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind. Schaut man sich Texte an, die unter dem Label LS veröffentlich werden, fällt auf: Die Abweichung von der Regel ist oftmals die Regel. Damit ist es eigentlich ES.

Die ES hat kein Regelwerk, orientiert sich aber an dem Regelwerk der LS.

Definition für Einfache Sprache könnte so lauten:

Das Maximum an Inhalten zu transportieren – bei gleichzeitigem Bemühen, dem Regelwerk der Leichten Sprache möglichst nah zu bleiben, aber nicht daran zu kleben.

Uwe Roth

Nach meinem Eindruck ist es schlicht eine Sache der Einstellung, ob man die LS oder ES bevorzugt. Die Beschreibung der Unterschiede ist beinahe philosophischer Art. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) gibt mir beim Schreiben eine gute Orientierung. Für mich fängt ES bei „A2“ an, hat seinen Schwerpunkt aber bei „B1“. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Eine Hilfe ist das Programm TextLab zur Analyse der Verständlichkeit. Damit komme ich meiner eigenen Definition meistens sehr nah.

Außerdem behaupte ich, dass

  • die Inklusion nach und nach die Lesekompetenz bei Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung anhebt,
  • sich die Deutschkenntnisse von Migranten verbessern und
  • die Lese- und Schreibkompetenz in der Bevölkerung nicht unter „B2“ sinken wird bzw. sollte. Wobei: Der Schwierigkeitsgrad der Texte in der Bild-Zeitung wird bei „B1“ gesehen.

Definition des Textverständnisses von „A“ bis „C2“

Wettbewerb nimmt Fahrt auf

Manche Übersetzungsbüros haben ihr Dienstleistungsangebot von Leichte auf Einfache Sprache „erweitert“. In die Zielgruppe wurden neben Menschen mit Lernschwierigkeiten Flüchtlinge aufgenommen. Das erweitert den Kreis der Gegenleser. Nun wurde in Xing zusätzlich zur bestehenden Gruppe „Leichte Sprache“ die Gruppe „Einfache Sprache“ eingerichtet. Grundsätzlich finde ich das gut so.

Ich habe mich bei der neuen Gruppe umgehend registriert. Wie die Leser meiner Webseite leicht erkennen, habe ich es eher mit der ES. Sie ist nach meiner Auffassung eine Kommunikationsform für alle. Mit der LS kann man keine journalistischen Qualitäten entwickeln. Meine Lese-Stunden zeigen mir, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung mit ES gut zurecht kommen, wenn Inhalt und Präsentation stimmen.

Verwirrung der Kunden: Leichte oder Einfache Sprache?

Aber mit der Spaltung ist der Grundstein für die Beschleunigung eines Auseinanderdriftens gelegt, das vor allem potenzielle Auftraggeber zur Produktion verständlicher Texte weiter verwirren wird. Klar ist: LS ist der populärere Begriff. Man verbindet ihn mit Informationen, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung beschränkt sind.

Standard ist das Gegenlesen durch Menschen aus der Zielgruppe. Ein Logo signalisiert dem Auftraggeber, (scheinbar) garantiert lesefreundlich für die Zielgruppe. Nach meiner Beobachtung sind nicht wenige überzeugt, die diversen Regelwerke habe eine Verbindlichkeit wie der Duden für die deutsche Rechtschreibung.

Ein Irrtum. Nicht einmal der deutsche Gesetzgeber definiert in seinem Behindertengleichstellungsgesetz und in seinem Bundesteilhabegesetz, was LS ist. Überwiegend spricht der Gesetzgeber von barrierefreier Kommunikation. Was das bedeutet, wird ebenfalls nicht erklärt.

Einfache Sprache Richtung Plain Language?

LS bleibt nach meiner Überzeugung eine (notwendige?) Nische. Siehe auch die Kritik der Universität Leipzig. ES ist die Weiterentwicklung, die aus dieser Nische in die breite Öffentlichkeit führt. Über Professor Andreas Baumert bin ich auf die englische Form der ES gekommen: Plain Language (Klartext), Plain Writing oder Plain English. Auf der offiziellen Seite der US-Regierung wird zum obersten Prinzip die Orientierung an der Zielgruppe orientiert. Dort heißt es:

Material in schriftlicher Form wird der Plain Language gerecht, wenn das Publikum

  • findet, was es braucht,
  • das Gefundene verstehen kann,
  • das Gefundene seine Bedürfnisse trifft.

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