Discounter Aldi Süd hat eine Stellenanzeige in Leichter Sprache auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht. Leichte Sprache statt Standard-Sprache – das ist keine schlechte Idee der Personalabteilung. Schließlich sind viele potenzielle Bewerber*innen keine deutschen Muttersprachler. Kräfte zur Aushilfe benötigen keine ausgefeilten Lese-Kompetenzen, um ihre Arbeit gut zu machen. Einfaches Deutsch reicht in der Regel völlig. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung sind durchaus fit für leichte Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch sie verstehen die Stellenanzeige in Leichter Sprache.
Uwe Roth ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung (DIN). Dort entstehen zwei Regelwerke: Eine DIN Spec 33429 Leichte Sprache sowie eine DIN 8581-1 Einfache Sprache. Uwe Roth arbeitet an beiden Regelwerken intensiv mit. Zusätzlich entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language (Einfache Sprache). Diese wird in einer DIN umgesetzt. Zu meinem Blog.
Firmen machen es mit ihren sprachlichen Anforderungen solchen Bewerbern unnötig schwer, eine Bewerbung einzureichen. Es ist Zeit, dass Personal-Abteilungen nicht abwarten, bis die Deutsch-Kenntnisse eines Bewerbers fürs Lesen einer Job-Beschreibung ausreichend sind. Sie sollten möglichen Arbeitskräften sprachlich entgegenkommen. Kein Arbeiter-Deutsch, sondern einfaches Deutsch, das sämtliche Regeln der Rechtschreibung und Grammatik berücksichtigt. Eben Leichter oder Einfache Sprache.
Siehe meine Angebote
Die Seite für Job-Sucher in Leichter Sprache ist nicht nur eine gute Idee von Aldi-Süd. Sie ist auch überwiegend gut gemacht. Andere Firmen könnten diesem Beispiel folgen. Ich (Angebote) helfe gerne dabei. Aus meiner Sicht darf es die Einfache Sprache sein. Sie ist flexibler und steckt in in keinem starren Regelwerk wie die Leichte Sprache. Die Regel, ein Nebensatz ist nur in einem absoluten Ausnahmefall zulässig, ist kaum durchzuhalten. Bei der Suche nach Kräften zur Aushilfe ist die Einfache Sprache für alle potenzielle Bewerber*innen bestens geeignet. Auch Ferienjobber stören sich nicht an Einfacher Sprache.
Medio-Punkt in der Aldi-Stellenanzeige in Leichter Sprache stört
Mich stört auf der Aldi-Internetseite Stellenanzeige in Leichter Sprache allerdings der Medio-Punkt (· = alt-Taste + 0183). Dieser stört ganz besonders, wenn der Medio-Punkt zwischen nicht nicht vollständigen Hauptwörtern steht: Arbeits·stelle. So steht es in der Stellenanzeige (alternativ: „Anzeige auf eine Stelle“ oder „Stellen-Anzeige“). Schlechtleser wissen mit einem Medio-Punkt wenig anzufangen. Das ist eher verwirrend. Besser als dieser merkwürdige Mini-Klecks ist doch die Formulierung „eine Stelle zum Arbeiten“.
Aber ansonsten ist Aldi Süd hoch anzurechnen, dass das Unternehmen das Schreiben des Texts einem Profi überlassen hat. Auch das Problem der zulässigen Länge eines Textes in Leichter Sprache ist über die Gliederung und das Layout von Aldi Süd einigermaßen gut gelöst worden. Aus meiner Sicht ist das die größte Herausforderung, viele Informationen übersichtlich in einen Text unterzubringen. Bekanntlich lässt das Vermögen durchzuhalten beim Lesen allgemein nach. Die Schrift könnte größer und scharfkantiger sein. Sie beeinträchtigt unnötig den Kontrast.
Stellenzeigen in Leichter Sprache in Eigenproduktion geht meistens schief
Wenn ein Verantwortlicher oder eine Verantwortliche in einem Unternehmen feststellt, „das können wir doch selber. Was soll bei Leichter Sprache das Problem sein?“, dann geht es in der Regel schief. Meistens gründlich. Echte Profis (die weiblichen selbstverständlich eingeschlossen) erkennen auf einen Blick die Fehler in einem Text in vermeintlich Leichter Sprache.
Sie erkennen genauso schnell, wenn der Text von jemandem gemacht wurde, der/die sich darin auskennt. Viele (Nicht-Profis) wertschätzen nicht, dass Texten in dieser Form eine besondere Qualifikation voraussetzt. Die wird nicht durch Gene weitergegeben, sondern durch Lernen und vor allem sehr viel Training. Wirklich gute Texte kommen nur zustande, wenn Texter*innen kreativ sind.
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Flüchtlinge müssen in Deutschkursen ziemlich schnell die Sprach-Niveaustufe B1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen erreichen. Nur dann finden sie Zugang zum Arbeitsmarkt. In Stellenanzeigen wird selten auf Sprachanfänger Rücksicht genommen. Meistens werden Jobsucher mit der blumigen Sprache des Marketings angesprochen – auch sie am Ende nur Regale einräumen sollen. Schlechte Beispiele für Stellenanzeigen in unnötiger schwerer Sprache finden sich im Netz ohne große Mühe. Das ist eines:
Ob als Ferienaushilfe, Minijobber oder 450-Euro-Kraft – in unseren Märkten benötigen wir immer wieder helfende Hände. Unterstütze unser Marktteam beispielsweise an der Kasse oder kümmere dich um die Verräumung der Ware in verschiedensten Bereichen in unseren Märkten.
Stellenanzeige online Kaufland
Bei Aldi Süd liest sich die Stellenzeige in Leichter Sprache so (kleiner Ausschnitt):
Wir verkaufen Lebensmittel in unseren Geschäften.
Bei uns findest du viele Berufe und Arbeits·stellen.
Du kannst als Aushilfe in unserem Geschäft arbeiten.
Du kannst als Verkäufer in unserem Geschäft arbeiten.
Du kannst als Kassierer in unserem Geschäft arbeiten.
Du kannst als Lager·helfer in unserem Lager arbeiten.
Quelle Aldi Süd
Zur Seite Leichte Sprache | ALDI SÜD (aldi-sued.de)
Ich störe mich allerdings an der Ansprache „du“. Leichte Sprache ist kein Grund für eine vorauseilende Vertraulichkeit. Ich glaube nicht, dass das Unternehmen mögliche Manager für einen ausgeschriebenen Posten auf diese Weise anspricht. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung sollten selbstverständlich mit „Sie“ angesprochen werden. Überhaupt verdient es dieser Menschenkreis, von Unternehmen auf ihrer Suche nach Hilfskräften stärker in den Fokus genommen zu werden. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten sind für ihre Tätigkeit in einer Behinderten-Werkstatt schlicht überqualifiziert.
Siehe auch Raus aus der Fachsprache – doch wo ist der Ausgang?
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