Einfache Sprache: das Jahr der Normen und Umbrüche

Lesedauer 3 Minuten

2023 ist das Jahr der Normen für Verständlichkeit. Die DIN ISO 24495-1 Plain Language/Einfache Sprache ist fertig. Die DIN 8581-1 Einfache Sprache ist im April 2024 veröffentlicht worden. Ob die DIN SPEC 33429 Leichte Sprache jemals zustande kommt, daran habe ich meine Zweifel. Aber das ist hier nicht mein Thema. ChatGPT ist eher mein Anliegen. Denn die Künstliche Intelligenz (KI) bringt den Markt für die Leichte und Einfache Sprache durcheinander. Und zwar gewaltig. Nun gilt es zu reagieren auf das Jahr der Normen und Umbrüche.

Leichte und Einfache Sprache sind keine caritative Leistungen für Schlechtlesende, die Ehrenamtliche ausführen. Das Texten in diesen Sprachformen verlangt eine hohe Kompetenz im Schreiben und ist somit eine Dienstleistung zum Geld verdienen.

ChatGPT und Co. zwingen Anbietende von Leichter und Einfacher Sprache zum radikalen Umdenken. Sie müssen weg von der Routine. Sie müssen sich auf das konzentrieren, was die kostenlose bzw. günstig zu habende KI nicht leisten kann.

Jüngere erkennen schnell den Nutzen der KI für Einfache Sprache

Ansonsten gibt es in der Zukunft nur noch Aufträge von Auftraggeber*innen, die die Wirkungskraft der KI nicht verstanden oder von ihr noch nicht gehört haben. Jüngere nutzen ChatGPT aus Eigennutz, um selbst nicht mehr schreiben zu müssen. Texten ist anstrengend. Sie merken schnell, dass sich mit ChatGPT Texte in Einfacher Sprache produzieren lassen. Sie fallen als Auftraggeber weg. Externe Dienstleistende gucken da in die Röhre.

Siehe auch: ChatGPT und Einfache Sprache bringen Call-Center in Zugzwang

Damit das nicht passiert, sollte sie ihre Dienstleistung neu denken: Die Tätigkeit bei der Leichten und Einfachen Sprache beschränkt sich nicht auf das Kürzen von Sätzen, Zeile um Zeile. Wer klassisch übersetzt, der/die versteht die Idee der DIN-Regelwerke nicht: Im Vordergrund steht das Schreiben für eine zuvor festgelegte Zielgruppe.

Einfache Sprache stellt Zielgruppe in den Mittelpunkt

Das funktioniert nur, wenn der Autor oder die Autorin die Zielgruppe kennt. Ist die anvisierte Leserschaft unbekannt, muss man sie über Recherchen kennenlernen, bevor man losschreibt. Schreibende müssen das Thema in den Bezug zur Zielgruppe setzen. Für jede Zielgruppe fällt der Bezug zum Thema anders aus. Das geht nicht mit einer eins zu eins Übersetzung von schwerem zu einem einfach verständlichen Text.

Schreiben für die Zielgruppe – das klingt banal. Tatsächlich folgen die meisten Sachtexte nicht diesem Prinzip. Der Einstieg in den Text ist nicht so, dass sich der Leser oder die Leserin von der ersten Zeile an angesprochen fühlt. Broschüren beginnen mit einem Vorwort. Es wird meistens überblättert. Was hat es in der Version Leichte und Einfache Sprache zu suchen?

Das oberste Gebot der DIN ISO Plain Language/Einfache Sprache lautet, die Lese-Erwartung zu erfüllen.

Siehe auch: Einfache Sprache und Schutzkonzepte verknüpft

Einfache Sprache ist Gegenteil von Schwadronieren

Aber in Sachtexten passiert das selten. Oft wird einem erst die Welt erklärt, bevor man aufs Thema kommt. Beispiel: Da stellt jemand eine Idee zur Bekämpfung des Klimawandels vor. Der Text beginnt mit einer Beschreibung, welche Auswirkung der Klimawandel schon zeigt. Trockenheit, Hitze, Starkregen… Ist alles längst bekannt. Erst nach dieser Belehrung erfährt der Leser, worum es sich bei der Idee handelt. Einfache Sprache ist das Gegenteil von Schwadronieren.

Siehe auch: 15 Pros für die Einfache Sprache

Wenn der Ursprungstext schlecht strukturiert ist, dann wird das Ergebnis der KI-Übersetzung nicht besser sein – trotz kurzer Sätze und verständlicher Begriffe. Um einen guten Ausgangstext zu haben, muss man diesen redaktionell vorbereiten. Passiert meistens aber nicht.

KI-Programme für die Leichte und Einfache Sprache überarbeiten Textblöcke mit einem Klick. Im Vergleich zu ChatGPT ist die Block-Überarbeitung ein Nachteil: Man kann dem Programm keine Anweisungen geben, was bei der Überarbeitung berücksichtigt werden sollte.

ChatGPT schreibt auf Wunsch in Einfacher Sprache

Bei ChatGPT kann man seine Vorstellung vom Textergebnis, mit einem „Prompt“, der KI mitteilen. Diese generiert daraus einen frei formulierten Text. Man kann Schwerpunkte setzen und so lange Korrektur-Runden drehen, bis der Text der Leser-Erwartung entspricht. Es wird nicht lange dauern, bis es ein Formular gibt, in das man die wesentlichen Merkmale des gewünschten Textes eingibt. Die App macht daraus einen Prompt, der in Sekundenschnelle das Angeforderte anzeigt.

Uwe Roth ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung (DIN). Dort entstehen zwei Regelwerke: Eine DIN Spec 33429 Leichte Sprache sowie eine DIN 8581-1 Einfache Sprache. Uwe Roth arbeitet an beiden Regelwerken intensiv mit. Zusätzlich entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language (Einfache Sprache). Diese wird in einer DIN umgesetzt. Zu meinem Blog.


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert