Lesende müssen in einem Text gesuchte Informationen leicht finden. Das gehört zur Einfachen Sprache/Plain Language wie das Schreiben. Der Aspekt der Auffindbarkeit wird aber oft vernachlässigt. Die Benutzerfreundlichkeit (Usability) von Texten ist ausbaufähig.
Dicke Handbücher ohne anständige Gliederung und unübersichtliche Internetseiten machen Lesende ratlos – auch wenn jeder einzelne Satz gut verständlich sein sollte. Schlimmer ist es bei der Leichten Sprache. Links zu solchen Texte werden so platziert, dass die Zielgruppe diese auf einer Webseite garantiert nicht findet.
Das Gebot der Usability (Benutzerfreundlichkeit), wie der Fachbegriff im Webdesign lautet, gilt aber für alle Nutzer des Internet. Bei der barrierefreien Kommunikation spielt Auffindbarkeit ebenfalls eine Rolle. Weil dieser Aspekt oft übersehen wird, besteht Nachholbedarf.
Usability: Informationen finden, ohne suchen zu müssen
Steve Krug ist in den USA seit 20 Jahren Impulsgeber für ein nutzerfreundliches Web-Design. Im Jahr 2000 veröffentlichte er einen Ratgeber mit dem Titel „Don’t make me think„. Frei übersetzt heißt das „Bring mich nicht zum Nachdenken“. Besucher einer Internetseite sollen das Gesuchte intuitiv und – ohne lange über den nächsten Schritt zu grübeln – finden.
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Nicht allein die Menüführung und die auf einer Seite verteilten Links müssen auf den ersten Blick erfassbar sein. Das gilt ebenso für die textlichen Informationen. Webdesigner und Texter dürfen dem Nutzer die Auffindbarkeit weder durch schwer verständliche Informationen erschweren, noch durch zu viele (unnütze) Worte.
Auffindbarkeit verbessern: nur so viel Text wie nötig
Krugs „drittes Gesetz der Nutzerfreundlichkeit“ lautet: „Get rid of half the words on each page, then get rid of half of what’s left.“ Der Gestalter soll auf jeder Webseite den Text um die Hälfte kürzen und vom verbliebenem Text nochmals die Hälfte. Das ist stark aus der Sicht eines Grafikers gedacht und weniger aus der von Schreibenden. Die neigen nicht dazu, Buchstaben als Störfaktor zu betrachten.
Gleichwohl steckt darin viel Einfache Sprache/Plain Language, wenn Krug sich gegen den „happy talk“ wendet. Darunter versteht er beispielsweise einführende Sätze („schön, dass Sie unsere Internetseite besuchen“), die inhaltlich nichts zu dem beitragen, was der Nutzer auf der Seite zu finden erhofft. Genauso nutzlos sind für ihn einleitende Wort, bevor Autor*innen zum eigentlichen Thema kommen.
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2013 ist Einfache Sprache/Plain Language kein Thema
Krug hat sein Buch zweimal aktualisiert, zuletzt 2013. Die Gesamtauflage liegt bei über 300000 Exemplaren. Noch immer gibt es keine deutsche Übersetzung. Daraus lässt sich ableiten, dass Usability bzw. User Experience (Nutzererfahrung oder Nutzererlebnis) ein Thema weitgehend für US-Webdesigner geblieben ist. In anderen Ländern ist User Experience (UX) etwas für Insider. Im deutschsprachigen Raum ist es eine junge Szene, die UX Writing als Dienstleistung anbietet.
Der Autor spricht Vieles an, was Bestandteil von Plain Language (Einfache Sprache) ist. Doch der Fachbegriff fällt im gesamten Buch nicht. 2013 war offensichtlich noch nicht die Zeit, Internet-gerechte Sprache unter linguistischen Aspekten zu betrachten.
Verständliches Schreiben benötigt Regel-Vorgaben
Krug geht selbstverständlich, aber fälschlicherweise davon aus, dass jeder weiß, was beim verständlichen Schreiben zu tun ist. Regeln erklärt er nicht. Bzw. er hat keine Vorstellung davon, wie man Kriterien für verständliches Schreiben finden könnte. Doch die Erfahrung hat bewiesen: Die reine Anweisung an einen Schreibenden, verständlich zu formulieren, führt in der Regel zu nichts.
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Wer verständliches Schreiben beherrscht, der tut dies von sich aus. Der- oder diejenige muss nicht erst darauf hingewiesen werden. Wer kompliziert schreibt, hat das in der Regel so gelernt hat. Oder ihm fehlt das Talent für gutes Schreiben. Ohne Orientierungshilfe finden die wenigsten von der schweren zur Einfachen Sprache.
Lesende sollen auf Anhieb finden, was sie suchen
Regeln für Einfache Sprache kristallisieren sich seit wenigen Jahren heraus. In der ISO 24495-1 Plain Language werden Standards erstmals definiert. In Deutschland entsteht parallel eine DIN für die Einfache Sprache.
In der noch nicht veröffentlichten ISO 24495-1 Plain Language findet sich einiges, was Steve Krug für Usability einfordert:
Plain Language stellt sicher, dass Leser finden können, was sie brauchen. Dass sie die Information verstehen und verwenden können.
So lautet eine zentrale Forderung der ISO. Auch hier ist Auffindbarkeit ein wichtiger Bestandteil Einfacher Sprache.
Uwe Roth ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung (DIN). Dort entstehen zwei Regelwerke: Eine DIN Spec 33429 Leichte Sprache sowie eine DIN 8581-1 Einfache Sprache. Uwe Roth arbeitet an beiden Regelwerken intensiv mit. Zusätzlich entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language (Einfache Sprache). Diese wird in einer DIN umgesetzt. Zu meinem Blog.
Mangelnde Auffindbarkeit: Bei der Leichten Sprache die Normalität
Mangelnde Auffindbarkeit ist das Ergebnis von
- fehlendem Respekt gegenüber den Usern,
- Ignoranz und
- Ahnungslosigkeit der Erstellern von Dokumenten und Internetseiten.
Besonders gravierend ist das bei vielen Informationen in Leichter Sprache. Die ist für Menschen mit besonders geringen Lesefähigkeiten und/oder kognitiver Einschränkung. Eine EU-Vorschrift für öffentliche Portalbetreiber ist, solche Zielgruppen auf einer separaten Webseite in Leichter Sprache über die Inhalte und Menüführung zu informieren. Die Ministerien auf Bundes- und Landesebene, Bundesbehörden wie Agentur für Arbeit oder die Rentenversicherung und viele öffentliche Verwaltungen auf kommunaler Ebene haben die Vorgaben mehr oder weniger umgesetzt.
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Sinnlose Informationen in Leichter Sprache zur Navigation
Diese Texte werden ins Netz gestellt und nie wieder verändert. Sie beschreiben in Leichter Sprache, wie man an einem Desktop-PC in einem Browser navigiert. Aber diese Zielgruppen haben selten Zugang zu einem PC. Dafür haben sie Smartphones oder andere mobile Endgeräte. Hier aber werden die Menüpunkte anders dargestellt. Was aber nicht erklärt wird.
Daher sind viele Erklärseiten im Internet sinnlos, weil sie diesen Nutzergruppen das Auffinden von Informationen nicht erleichtern, sondern erschweren. Das ist ein Zeichen, dass die Betreiber der Portale die Barrierefreiheit nicht sonderlich ernst nehmen.
Genauso schlimm sind Links auf Seiten in Leichter Sprache, die in Texte in schwerer Sprache eingestreut werden. Zum Beispiel steht in einem Corona-Text in schwerer Sprache irgendwo in Klammern „Hier ein Text in Leichter Sprache“. Da geht der Gestalter/die Gestalterin davon aus, dass ein Schlechtleser – sprachlich gesehen – die Stecknadel im Heuhaufen findet.
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