Jugendliche im Museum sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Foto: Uwe Roth

Leichte Sprache – kein Teil des BFSG

Lesedauer 3 Minuten

Im Internet kursieren irreführende Angebote von Agenturen, Inhalte in die Leichte Sprache zu bringen, um dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) Rechnung zu tragen. Ich habe das eigentliche Gesetz und die dazugehörige Verordnung Gesetz gelesen und festgestellt, dass darin nirgendwo Leichte Sprache genannt wird. Also: Leichte Sprache ist kein Teil des BFSG.

Tatsächlich empfehlen solche Agenturen, dass Unternehmen jede (also wirklich jede) Information in zwei Sprachformen zur Verfügung stellen sollen:

  • Leichte Sprache (Sondersprache) und
  • Normalsprache/Standardsprache.

Dies ist keinem Unternehmen zuzumuten. Sie können aber auch, die gesetzliche Vorgaben mit der Einfachen Sprache erfüllen. Ich zeige, wie es geht.

BFSG ist schlampig gemacht

Ich hatte am Donnerstag (18.07.24) ein Webinar zum „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (#BFSG) und Einfache Sprache“ mit über 20 sehr interessierten Teilnehmenden. Danke für die hohe Aufmerksamkeit und an #ComLab, das mir für mein Thema den Online-Campus zur Verfügung gestellt hat.

Das Gesetz zur Stärkung der Barriere-Freiheit besteht aus zwei Teilen:

BFSG und BFSGV sind aus meiner Sicht schlampig gemacht. Beide lassen viele Fragen offen. Dessen Inhalte umzusetzen, gleicht dem Versuch, Pudding an die Wand zu nageln.

Gleichzeitig kursieren Nachrichten, dass Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 Euro drohen, sollte ein Unternehmen bis Mitte 2025 bestimmte Informationen nicht barrierefrei zugänglich gemacht haben. Das verunsichert Unternehmen zu recht.

„Leichte Sprache“ taucht nicht als Begriff auf

In Seminaren wird Unternehmen die Leichte Sprache als vermeintlich einzige rechtlich zulässige Lösung angeboten. Doch im BFSG steht darüber nichts. Der Begriff ist dort nicht zu finden. Leichte Sprache ist kein Teil BSFG. Auch nicht die vermeintlichen Adäquate A1/A2.

Folglich besteht keine gesetzliche Verpflichtung, Informationen in die Leichte Sprache zu bringen. Leichte Sprache – kein Teil des BFSG. Das Gegenteil sollte sich kein Unternehmen einreden lassen.

Für die Unternehmen wäre das blöd, wenn Leichte Sprache ein Teil des BFSG wäre:

  • Sie müssten jeden Text sowohl in Standard- als auch in Leichter Sprache zugänglich machen. Alles doppelt gemoppelt – das würde mehr Verwirrung schaffen anstatt Barriere-Freiheit.
  • Eine einzige Fassung ausschließlich in Leichter Sprache für sämtliche Nutzer*innen eines IT-Gerätes bzw. einer Dienstleistung ist erst recht kein gangbarer Weg, dem BFSG gerecht zu werden.

Weil der Gesetzgeber keine Angaben macht, was nach dem BFSG „verständlich“ für das Texten bedeutet, kursieren Interpretationen. Oft wird empfohlen, sich an der Leichten Sprache zu orientieren – oder an der Leichten Sprache. Die Tagesschau Redaktion hat mit ihrem Angebot Nachrichten in Einfacher Sprache gezeigt, dass eine solche „Orientierung“ in die Hose gehen kann.

Siehe auch Tagesschau reagiert gereizt auf Kritik an Einfacher Sprache

BFSG: Nutzen für hör- und seh-behinderte Menschen

Wer das Gesetz analysiert, stellt fest, in erster Linie haben die Autor*innen an Menschen mit einer Hör- oder Seh-Behinderung gedacht. Zwar werden im Gesetz Menschen mit „seelischer, geistiger“ Behinderung erwähnt. Doch über barrierefreie Kommunikation speziell für Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung ist aus der BFSG-Verordnung nichts herauszulesen. An diesen Personenkreis wurde wahrscheinlich gar nicht gedacht. Beim Begriff „verständlich“ im Gesetzestext automatisch an Leichte Sprache zu denken, ist eine sehr freie Interpretation.

Ich zeige Ihnen, wie Sie mit Einfacher Sprache die Vorgaben des BFSG sehr gut erfüllen können, ohne Bußgelder befürchten zu müssen.

Kontakt

Wen betrifft das BFSG?

  • Das BFSG betrifft die „barrierefreie Ausstattung“ von:
  • Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones
  • Fernsehgeräte mit Internetzugang
  • E-Book-Reader
  • Dienstleistungen wie:
    • Telefondienste
    • Messenger-Dienste
    • in Apps angebotene Dienstleistungen im überregionalen Personenverkehr
    • Bankleistungen

Für welche Zielgruppe ist das BFSG?

Laut Paragraf 2 BFSG Begriffsbestimmungen – Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) sind

„Menschen mit Behinderung“ Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können; als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert (…).“


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Kommentare

6 Antworten zu „Leichte Sprache – kein Teil des BFSG“

  1. Avatar von Sabrina Mevis
    Sabrina Mevis

    Hallo Herr Roth,

    wird das Thema sich nicht ohnehin mit KI-Übersetzungen in Leichte und einfache Sprache erledigen? Dann werden die Betroffenen einfach automatisch die Version bekommen, die sie benötigen und das zu sehr günstigen Kosten.

    Gruß Ihre Sabrina

    1. Avatar von Uwe Roth, Journalist

      Hallo Sabrina, so einfach ist es mit der KI nicht. Wir, eine kleine Expertengruppe, haben zahlreiche Sprachmodelle ausprobiert. Die besten sind hilfreich bis sehr hilfreich, aber nicht perfekt. Der/die Anwender/in benötigt Kenntnisse von der Regeln der Einfachen Sprache, um zu erkennen, wo die KI falsch liegt. Der von einer KI generierte Text muss redaktionell (von einem Profi) bearbeitet werden. Aber grundsätzlich wir der Profi mit einer KI schneller und effektiver. Grüße und danke für Ihre Anmerkung Uwe Roth

  2. Avatar von Alter Ego
    Alter Ego

    Lieber Herr Roth,

    ein sehr interessanter Beitrag, dem ich jedoch Folgendes anmerken möchte:

    1. »„Leichte Sprache“ taucht nicht als Begriff auf«

    Dies mag für das BFSG stimmen, jedoch wird in der Begründung des Bundesrats zur Verordnung über das BFSG (Drucksache 149/22) an mehreren Stellen „leichte Sprache“ explizit erwähnt. Leichte Sprache ist – wie Sie zutreffend feststellen – für Wirtschaftsakteure nicht rechtlich verpflichtend. Allerdings sind betroffene Inhalte auch in sprachlicher Hinsicht barrierefrei zu gestalten, weshalb beispielsweise auf leichte Sprache zurückgegriffen werden kann.

    2. »[…] Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung ist aus dem Gesetz nichts herauszulesen. An diesen Personenkreis wurde wahrscheinlich gar nicht gedacht […]«

    Sowohl in o.g. Begründung des Bundesrates zur BFSGV als auch im BFSG selbst werden diese Personengruppen berücksichtigt und sind in das Gesetz mit einbezogen.

    In § 2 Nr. 1 BFSG werden »“Menschen mit Behinderung“ als Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben […]« definiert.

    Viele Grüße

    1. Avatar von Uwe Roth, Journalist

      Hallo Herr oder Frau Alter Ego (warum Sie so angesprochen werden wollen, keine Ahnung)
      danke für Ihre fachlich fundierten Hinweise. Für die Unternehmen ist zur Umsetzung des BFSG die Verordnung entscheidend. Und diese ist mehr als schwammig formuliert. Im Gesetz werden, wie Sie richtig schreiben, Menschen mit seelischer oder geistiger Beeinträchtigung genannt. In der Verordnung wurden sie aber „vergessen“. Mit Absicht? Ich glaube, da hat die Wirtschaft ordentlich lobbyiert, damit der Begriff „Leichte Sprache“ in keinem Fall in der Verordnung auftaucht. Bei der Bankwirtschaft war der Einfluss ganz offensichtlich.
      Kennen Sie diese Seite? https://bfsg-gesetz.de/leichte-sprache/
      Der Text unter diesem Link ist sowas von nicht Leichte Sprache. Deshalb bleibe ich bei meiner Kritik: Das BFSG greift die besonderen Informationsbedürfnisse der Menschengruppe mit Lernschwierigkeiten (so der Begriff in der geplanten DIN SPEC 24495 Leichte Sprache) aus Rücksicht auf die Wirtschaft in der Verordnung nicht auf.
      Sie kennen sich aus, Herr/Frau Alter Ego. Gerne können wir uns weiter austauschen – am liebst aber mit unseren Klarnamen.

      1. Avatar von Alter Ego
        Alter Ego

        Lieber Herr Roth,

        vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

        Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung wurde in der BFSGV nicht vergessen, sie erfolgt über das BFSG selbst. Eine Wiederholung wäre redundant. Die Verordnung erfolgt aufgrund des § 3 Abs. 2 BFSG. Zudem stellt die Verordnung klar, dass sie auf Produkte und Dienstleistungen des BFSG zu applizieren ist, § 1 BFSGV. Oder juristisch einfach ausgedrückt: Die Verordnung präzisiert und erläutert lediglich die im BFSG aufgeworfenen Fragestellungen, insb. zu den Anforderungen der einzelnen Produkte und Dienstleistungen.

        Das „BFSG in leichter Sprache“ kenne ich. Bislang habe ich diese Seite nicht darauf Korrektur gelesen, ob sie auch tatsächlich in leichter Sprache verfasst ist. Orientiert an den Formulierungsvorschlägen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (z.B. Leichte Sprache für Banken,https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschuere/dl_b_banken_leichte_sprache.html), muss ich Ihnen jedoch Recht geben, dass das „BFSG in leichter Sprache“ eher einem nett gemeinten Versuch ähnelt, die eigenen Vorgaben umzusetzen.

        Ob Lobbyismus hinter dem Fehlen „leichter Sprache“ in der BFSGV steckt, vermag ich nicht zu beurteilen. Für Bankdienstleistungen z.B. wurde immerhin das Sprachniveau B2 festgelegt, § 17 Abs. 2 BFSGV. Diese Privilegierung gilt jedoch – meiner bescheidenen Meinung nach – für die übrigen Produkte und Dienstleistungen gerade nicht. Insoweit ist nach der Begründung der BFSGV die „Leichte Sprache“ zwar nicht verpflichtend, das Sprachniveau dürfte sich jedoch an ihr orientieren.

        Ihre Kritik teile ich aber dahingehend, dass das BFSG und die BFSGV schlecht gelungen sind. Dies mag aber auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Europäische Rechtsakt auf dem diese stützen, der „European Accessibility Act (EAA)“ seinerseits an denselben Mängeln leidet.

        Sofern Sie daran interessiert sind, können wir uns gerne im Dialog – auch unter Klarnamen – austauschen.

        Viele Grüße

        1. Avatar von Uwe Roth, Journalist

          Liebe/r Herr/Frau,

          danke, dass Sie sich mit meiner Antwort so intensiv auseinandergesetzt haben. Gerne können wir mit unseren Klarnamen weiterdiskutieren. Meine Mailadresse ist: uwe.roth@leichtgesagt.eu.

          Nur soviel: Sich an den Regeln der Leichten Sprache „zu orientieren“, geht immer schief. Siehe das umstrittene Nachrichtenangebot der Tageschau in Einfacher Sprache. Die Redaktion orientierte sich in ihrem Konzept an Menschen mit Lernschwierigkeiten, „orientiert“ sich beim Texten aber an der Einfachen Sprache. Das Ergebnis wird niemandem gerecht. Das war eine pragmatische Entscheidung: Die Redaktion wählte als Label „Einfache Sprache“, weil die Leichte Sprache für Nachrichten zu begrenzt ist, um regelkonform Inhalte zu transportieren.

          Hätte das BFSG die Leichte Sprache genannt, müsste ein Unternehmen jede Information doppelt anbieten. Das kann nicht funktionieren. Leichte Sprache ist nach der geplanten DIN SPEC 33429 ausschließlich für Menschen mit Lernschwierigkeiten gedacht. Gerne wird übersehen, dass diese Menschen überwiegend auf dem kognitiven Stand von Grundschülern sind. Das betrifft nicht nur die Fähigkeit des Lesens, sondern auch des Verstehens. Das schränkt die Wahl der Themen sehr stark ein, über die man für diesen Menschenkreis verständlich schreiben kann.

          Ich vermute, Sie haben am Entstehen des BFSG in irgendeiner Form mitgewirkt.
          Lassen Sie uns gerne weiter fachsimpeln.

          Herzliche Grüße
          Uwe Roth

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