Der Künstlichen Intelligenz (KI) fehlt die nötige Empathie für Leichte und Einfache Sprache. Dennoch trauen Nutzer*innen ChatGPT und Co. mehr zu als den professionell Schreibenden, die sich an die Normen halten. Kurse „Schreiben mit KI“ sind momentan der Renner. „Schreiben in Einfacher Sprache“ eher nicht.
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Die Württembergische Landesbibliothek hat erneut ihren Nutzer*innen einen Workshop Schreiben in Einfacher Sprache angeboten. Diesmal saß im Kursraum nur eine kleine Gruppe. Das Angebot „Schreiben mit KI“ zog in diesem Semester wohl mehr.
Am Ende der Veranstaltung versicherte ich (Uwe Roth) meinen Teilnehmenden, Schreiben mit ChatGPT sei nichts Verwerfliches. Sie gehörten mit dem Wissen aus dem Kurs jedoch zu den wenigen, die kontrollieren könnten, ob die KI tatsächlich die Regeln der Einfachen Sprache angewendet hat.
Die Norm-gerechten Regeln hat sich kein Algorithmus „ausgedacht“. Fachleute aus der ganzen Welt arbeiten an der ISO 24495 Plain Language/Einfache Sprache mit. Im DACH-Raum bringen Expert*innen ihr theoretisches und praktisches Wissen in die DIN 8581-1 ein.
Siehe auch Tagesschau reagiert gereizt auf Kritik an Einfacher Sprache
Wir haben die Fähigkeit zur Empathie – die KI nicht
Unser Vorteil gegenüber der KI: Wir haben die Fähigkeit zur Empathie. Wir können zum Beispiel die Frage nach der Lese-Erwartung und nach dem geeigneten Wortschatz beantworten.
Wir können uns eine Vorstellung von den Menschen machen, für die wir in Einfacher Sprache schreiben. Eine KI kann das nicht.
Doch so langsam befürchte ich, dass wir real Schreibenden keine Chance gegen ChatGPT haben. KI arbeitet schnell und vor allem billig, billig, billig. Doch vor allem: Prompt-Schreibende ersparen sich Denkarbeit. Über die langfristigen Verluste an Schreib- und Lese-Kompetenz denken sie offensichtlich nicht nach.
Das gilt noch mehr für die Leichte Sprache: Menschen mit einem Inklusionsauftrag besorgen sich günstig eine KI-Lizenz und können auf der To-do-Liste einen Haken setzen. Wenn aber Empathie an eine KI übertragen wird, hat das mit Inklusion nichts zu tun.
Siehe auch Leichte Sprache – kein Teil des BFSG
KI kocht Leichte-Sprache-Brei
Die Aussage nervt, KI-Texte müssten halt redaktionell nachbearbeitet werden. Leichte-Sprache-Texte müssen kurz sein, damit sie der Zielgruppe entsprechen. Diejenigen, die nachbereiten, müssen folglich die Regeln kennen und beherrschen. Warum dann nicht gleich selbst schreiben – mit Empathie?
KI verarbeitet Informationen zu einem Leichte-Sprache-Brei, in der Hoffnung, dass es für die Zielgruppe Menschen mit einer kognitiven Behinderung irgendwie passt. Nachgehakt wird ja nicht.
Und wann erklärt mir endlich jemand, welche Themen sich für Menschen mit einer kognitiven Behinderung eignen? Ich warte schon lange auf Antworten aus der LS-Community. Ich jedenfalls bin fest davon überzeugt, dass die Einfache Sprache mehr für die Inklusion tut als die Leichte Sprache.
Siehe auch KI und Einfache Sprache (externer Link)
Kommentar zu meinem Blog
Es ist müßig, darüber zu entscheiden, welche Themen sich für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung „eignen“, um sie in Leichter Sprache zu verfassen. Menschen mit Beeinträchtigungen haben ein Recht auf Information und Kommunikation. Punkt. Du sagst doch auch nicht zu deinem Kind: Du, das Thema Demokratie eignet sich nicht für dich. Sondern du versuchst, deinem Kind altersgerecht und mit Empathie das Konzept nahezubringen.
Siehe auch Warum DIN SPEC Leichte Sprache gescheitert ist
Meine Antwort darauf
Der Vergleich hinkt. Ich kann meinem Kind Demokratie erklären, weil ich es kenne. Ich weiß, welche Wörter es kennt, welche Bildvergleiche funktionieren, welche Erlebnisse aus seinem Alltag Demokratie greifbar machen.
Schon beim Nachbarskind kann ich mit meinem Erklärungsversuch scheitern. In der Klasse passt die Lehrkraft auf, dass alle ein Thema verstehen, notfalls mit individueller Nachhilfe.
Menschen mit einer kognitiven Behinderung haben eine Assistenz. Sie hat u. a. die Aufgabe, Fragen individuell zu beantworten. Sie geht dabei auf die kognitiven Unterschiede ein. Die können zwischen den Mitgliedern einer Wohngruppe schon groß sein.
Das Geld, das Menschen mit Behinderung von der Eingliederungshilfe erhalten, nennt sich inzwischen „persönliches Budget“.
Ich frage mich, warum soll gerade die Leichte Sprache über alle kognitiven Unterschiede hinweg in der Behindertenhilfe funktionieren? Menschen mit einer kognitiven Behinderung brauchen individuell auf die jeweilige Person zugeschnittene Informationen und keinen Leichte-Sprache-Einheitsbrei. Punkt.
Siehe auch https://leichtgesagt.eu/2025/04/dach-forum-einfache-sprache-resolution/
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