So wird Behördendeutsch verständlich

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Gerade bei der Inklusion ist er unverzichtbar. Der Index für die einfache Sprache. Kommunen sind dazu verpflichtet, barrierefreie Angebote online anzubieten. Teil 3 unserer Serie über einfache Sprache – so einfach (kann) es gehen! Von Uwe Roth, Veröffentlichung in der Fachzeitschrift KOMMUNAL am 27.09.2018

Einfache Sprache scheitert meistens an einem Juristen. Sein finales Argument lautet: Jeder Satz muss gerichtsfest sitzen. Das bestenfalls durch sämtliche Instanzen. Es scheint in einer Verwaltung von höchster Bedeutung zu sein, dass ein Richter den Text einwandfrei findet. Weniger wichtig ist wohl, dass ein Bürger amtliche Schreiben und Formulare versteht. 

Doch nach und nach zeichnen sich in der öffentlichen Verwaltung Veränderungen ab: Aus Bürgern werden Kunden. Das bedeutet nicht allein freundlichere Öffnungszeiten und Online-Formulare, sondern ebenso eine bessere Kommunikation. Die Einfache Sprache ist für Menschen mit einer geistigen Behinderung geschaffen worden. Doch ihr großer Nutzen wird erst so richtig wahrgenommen, seit Flüchtlinge zum Kundenkreis einer Verwaltung gehören. Es macht schließlich keinen Sinn, Informationen in schwerer Sprache herauszugeben, während die Flüchtlinge erst Deutsch lernen. Mit der Einfachen Sprache kommen die Mitarbeiter einer Behörde ihren Neukunden sozusagen auf halbem Weg entgegen. Wer diesen Weg geht, wird entgegen den Vorurteilen feststellen, dass mit der Einfachen Sprache keine Inhalte verloren gehen. 

Einfache Sprache: Diese Seiten machen es vor! 

Ein gutes Beispiel ist die Internetseite des Job-Centers Berlin Spandau. Sie bietet keine Zusammenfassung des Inhalts in Einfacher Sprache. Dies ist noch auf den meisten Internetseiten von Verwaltungen üblich. Das Job-Center erläutert stattdessen auf die Zielgruppen zugeschnitten Schritt für Schritt das Leitungs- und Beratungsangebot. Es wurde zudem auf eine größere Schrift und Zeilenabstand geachtet. Gleiche Informationen gibt es parallel in schwerer und Einfacher Sprache. Das ist redundant und für diejenigen sehr verwirrend, die Probleme mit dem Lesen und Verstehen der deutschen Sprache haben.

Einige Städte haben für die neuen Einwohner einen Leitfaden in Einfacher Sprache herausgegeben. „Ankommen in Deutschland“ heißt die Broschüre der Stadt Hannover. Sie erläutert auf 50 Seiten ausführlich und gut verständlich, wie man sich in der Stadt zurechtfindet. Die Herausforderung ist, komplizierte Begriffe zu vermeiden, gleichzeitig daran zu denken, dass diese außerhalb der Broschüre weiter vorhanden sind. So ist der offizielle Name des Ansprechpartners für Flüchtlinge der Fachbereich „Ausländerangelegenheiten und Staatsangehörigkeit“. Folglich müssen Flüchtlinge dieses Wortungetüm schon mal gesehen und verstanden haben. 

Von solchen Schwierigkeiten abgesehen, ist ein solcher Leitfaden für alle Einwohner der Stadt nützlich, nicht allein für solche mit Leseproblemen. In der Gesellschaft ist Leseschwäche ein allgemein wachsendes Phänomen. 

Einfache Sprache kann aber erst mal ganz schön schwer sein

Wer einen Text in Einfacher Sprache formuliert, dem wird sehr viel Disziplin und Einfühlungsvermögen abverlangt. Nur damit erreicht er seine Zielgruppe und erfüllt seinen Auftrag. Wer dagegen in schwerer Sprache schreibt, legt selbst fest, was aus seiner Sicht verständlich ist. Davon hat jeder eine andere Vorstellung. Diese ist stark geprägt von der Fachsprache des Berufs. Je länger man in dieser steckt, umso mehr fließt sie in die Alltagssprache ein. Experten merken nicht, dass sie von Außenstehenden nicht verstanden werden. Sie reagieren mit Unverständnis, wenn man sie darauf anspricht.

In den vergangenen Jahren sind Programme entwickelt worden, die Texte auf ihre Verständlichkeit analysieren. Damit kann man seinen persönlichen Schreibstil testen und gegebenenfalls verbessern. Das kostenpflichtige Programm TextLab arbeitet mit dem „Hohenheimer Index“. Diesen hat Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationstheorie an der Universität Stuttgart-Hohenheim, mit seinen Studierenden entwickelt. Der Index wurde ursprünglich dazu benutzt, den Newsletter des Instituts verständlicher zu machen. Mittlerweile nutzen Unternehmen das Angebot, um ihre Kommunikation mit den Kunden zu verbessern.

Null bedeutet auf der Skala „völlig unverständlich“. Die Bestmarke ist 20. Die bescheinigt dem Schreiber leichte Verständlichkeit. Das Programm wertet Texte nach zahlreichen Gesichtspunkten aus wie beispielsweise Satz- und Wortlängen oder Fachbegriffen. Ab dem Indexpunkt zwölf gilt ein Text als einigermaßen, ab 16 als gut verständlich. 

Man kann mit TextLab kommunale Internetseiten analysieren, die sich an Menschen mit einer Behinderung wenden. Der „Hohenheimer Index“ gibt für Texte, die besonders leicht verständlich sein sollten, die Zahl 18 vor. Zufällig ausgesuchte Texte von kommunalen Internetseiten ergaben einen Durchschnittswert von mageren sechs Indexpunkten. Es besteht Verbesserungsbedarf! Uwe Roth

Teil 1 und Teil 2

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