Barrierefreie Kommunikation: Kurze Sätze, bitte!

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Wer die Regeln der „leichten Sprache“ befolgt, darf keinen Satz mit mehr als acht Wörtern schreiben. Daher empfiehlt sich für die Behördenkommunikation eher die „einfache Sprache“. KOMMUNAL-Tipps, wie die einfache Sprache funktioniert! Von Uwe Roth. Veröffentlichung in der Fachzeitschrift KOMMUNAL, 29.06.2018.

Es gibt in Deutschland eine Vorschrift, die nach Inkrafttreten wohl sofort wieder in Vergessenheit geraten ist: Im ersten Sozialgesetzbuch aus dem Jahr 1975 schreibt der Gesetzgeber in Paragraf 17 vor, „dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird.“ Antragsvordrucke sollten „allgemein verständlich“, Verwaltungs- und Dienstgebäude „frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren“ sein.

Wäre die Vorschrift tatsächlich umgesetzt, wäre zumindest im Sozialbereich die Kommunikation seit 40 Jahren barrierefrei und die Leichte Sprache eine Selbstverständlichkeit. So aber ist diese besondere Textform eine Randerscheinung geblieben. Sie hat sich über die Jahre in einem überschaubaren Expertenkreis aber weiterentwickelt. Neben „Leichter Sprache“, die der Gesetzgeber nennt, taucht immer häufiger der Begriff „Einfache Sprache“ auf. Das hat nicht zur Popularität beigetragen, sondern eher zur Verwirrung.

Barrierefreie Kommunikation folgt einem klaren Satzbau

Die Leichte Sprache existiert als Konzept seit 20 Jahren. Sie wurde entwickelt, um die Kommunikation mit Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung zu erleichtert. In jedem Satz mit maximal acht kurzen Wörtern darf nur eine Aussage stehen. Ein klarer Satzbau – Subjekt, Prädikat, Objekt – versteht sich von selbst. Schwere Begriffe werden gemieden oder verständlich umschrieben.

Seit die UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 von der Bundesregierung ratifiziert wurde, besteht in Deutschland und damit auch in den Kommunen nach den Artikeln 2 und 24 prinzipiell ein Anrecht auf barrierefreie Kommunikation. Für die Leichte Sprache gibt es ein Regelwerk, das das „Netzwerkwerk Leichte Sprache“ herausgegeben hat, aber keine Verbindlichkeit besitzt wie der Duden. Texte werden von schwerer in die Leichte Sprache „übersetzt“. Zum Grundsatz gehört, dass ein Text zum Schluss von einem Menschen aus der Zielgruppe gegengelesen wird. Dann gibt es ein Logo, das die Einhaltung der Regeln bestätigt Solche Übersetzungen sind meistens allerdings enttäuschend.

Barrierefreie Kommunikation in der Behörde? Häufig eine Pflichtaufgabe!

Die Leichte Sprache bietet eine zu kleine Ladefläche, um ausreichend Inhalte transportieren zu können. Den Möglichkeiten, einen Satz zu gestalten, sind enge Grenzen gesetzt, so dass die Texte am Ende monoton zu lesen sind. Leider ist es so, dass sich Auftraggeber, auch von kommunaler Seite, damit zufrieden geben, solange das Logo daneben steht. Es wird zu selten vom Auftraggeber geprüft, ob die Übersetzung eventuell wichtige Inhalte vernichtet haben könnte. Angebote in Leichte Sprache zu bringen, wird als Pflichtübung betrachtet bei gleichzeitigem Bestreben, Kosten niedrig zu halten. Informationsangebote in Leichter Sprache werden gar nicht oder nur in großen Abständen aktualisiert.

Um sich von diesem engen Korsett zu befreien, nutzen Autoren mehr und mehr die Einfache Sprache. Auch weil sie erkannt haben, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten – auch bedingt durch die Inklusion – mit der Leichten Sprache zunehmend unterfordert sind. Sie kommen mit der Einfachen Sprache besser zu recht. Auch hier gelten Vorgaben wie kurze Sätze, die bis zu 15 Wörter umfassen können, und keine schweren Begriffe. Aber ein Nebensatz ist erlaubt.

Grundlage ist kein Regelwerk wie bei der Leichten Sprache. Auch gibt es kein Logo. Dafür haben die Autoren mehr Freiraum, sich auf Leseerwartung der Zielgruppe einzulassen. Wenn sie eine Textvorlage haben, wird diese nicht Zeile für Zeile übersetzt. In der Regel wird der Text neu formuliert und die Inhalte auf den Leserkreis ausgerichtet. Das erfordert, dass Auftraggeber und Autor am besten gemeinsam den Text zuerst redaktionell bearbeiten, bevor er in die endgültige Fassung gebracht wird.

Barrierefreie Kommunikation lernen – aber wie?

Wenn es gut gelingt, lässt sich der Text so lesen, dass auch der Normalleser damit zufrieden ist. Einfache Sprache respektiert die Grammatik und die Rechtschreibung ohne Ausnahme. Erfahrungen zeigen, dass die meisten Inhalte transportiert werden können. Verwaltungsmitarbeiter sollen nach den rechtlichen Vorgaben sogar in der Lage sein, nicht nur schriftlich, sondern sich ebenso mündlich mit der Zielgruppe auszutauschen. In Leichter Sprache zu sprechen, das ist nicht möglich.

Wer hält schon Beratungsgespräche durch mit Sätzen, die maximal acht Worte lang sind? Auch dafür eignet sich sehr viel besser die Einfache Sprache. Doch die mündliche Kommunikation muss in einer Fortbildung geübt werden. Man lernt, einen schweren Text aus dem Berufsumfeld in eine verständliche Form zu bringen. Die Regeln theoretisch zu kennen, das reicht nicht aus. Wer zum Beispiel fließend Englisch spricht, der ist noch lange kein Simultandolmetscher. Dass „einfach“ so schwierig ist, vermuten die Teilnehmer an einer solchen Fortbildung in der Regel nicht.

Teil 1 und Teil 3

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