Jobcenter Landkreis Ludwigsburg. Foto: Uwe Roth

Textbeispiele Einfache Sprache – Jobcenter

Lesedauer 4 Minuten

Die Sozialgesetze sind in einer besonders schweren Sprache (Fachsprache) geschrieben. Auch ich verstehe die Bestimmungen zum Arbeitslosengeld II (ALG II) kaum. Meine Aufgabe war, den Leitfaden eines Jobcenters zu überarbeiten. Viele Fachbegriffe musste ich mir ergoogeln, um diese verständlich umschreiben zu können. Hier einige Textbeispiele im Original und in meiner Version der Einfachen Sprache.

Hintergrund

Um einen Eindruck zu bekommen, wie schwer verständlich der Text im Original tatsächlich ist, arbeite ich mit dem Online-Programm TextLab. Die Texte werden nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX) Bewertet. Die HIX-Skala reicht von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich).
Der Indexwert 12 steht für Fachtexte, der Wert 14 für Briefe, 16 für Internet-Texte. Die Werte darüber sind Einfache und am Ende Leichte Sprache. Aus meiner Sicht ist der Wert 16 der Einfachen Sprache sehr nah. Die meisten Texte, die ich zur Bearbeitung erhalte, liegen zwischen 4 und 8 Indexpunkten. Streng genommen, hätten diese Texte nach dem HIX nie veröffentlich werden dürfen.

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Original Textbeispiel Jobcenter

Sie beziehen bereits Arbeitslosengeld II oder haben einen Antrag beim Jobcenter auf die Gewährung von Arbeitslosengeld II gestellt bzw. beabsichtigen einen Antrag zu stellen. Diese Infobroschüre soll Ihnen einen ersten schnellen und allgemein gehaltenen Überblick über Ihre Rechte und Pflichten beim Bezug von Grundsicherung für Arbeitsuchende verschaffen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit ist mit dieser Broschüre nicht verbunden. Bei individuellen – insb. weitergehenden – Fragen zu Ihrem konkreten Leistungsfall setzen Sie sich bitte mit der für Sie zuständigen Sachbearbeitung in Verbindung.
Das Jobcenter Landkreis XYZ ist als zugelassener kommunaler Träger für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständig. Das Jobcenter hat mehrere Außenstellen, damit Sie wohnortnah Ihre Anliegen klären können. Die genauen Örtlichkeiten der Liegenschaften finden Sie im Internet auf der Seite des Landkreises XYZ.

Überarbeitung Einfache Sprache

Menschen ohne Arbeit erhalten finanzielle Hilfen. Sie sind dazu da, notwendige Dinge des Alltags bezahlen zu können. Hilfen vom Staat gibt es so lange, bis die Menschen wieder ein Einkommen oder einen Lohn haben. Die Unterstützung will Menschen in die Arbeit bringen. Sie sind nicht Arbeitslosen, sondern Arbeitssuchende.

Es gibt einen Unterschied zwischen
* Arbeitslosen-Geld I und
* Arbeitslosen-Geld II (ALG II).

Für das Arbeitslosen-Geld I ist die Agentur für Arbeit zuständig. Das Jobcenter ist dagegen zuständig für das Arbeitslosen-Geld II. Es heißt abgekürzt ALG II. Viele sagen Hartz IV dazu. Das ist jedoch kein offizieller Begriff.

Der Antrag geht nicht formlos oder am Telefon. Man muss Regeln beachten, um ALG II zu bekommen. Diese stehen im Zweiten Sozial-Gesetzbuch. Es heißt abgekürzt SGB II und gilt überall in Deutschland. ALG II wird auch Grundsicherung für Arbeitssuchende genannt. Sozialgeld ist dasselbe wie ALG II.

Es ist wichtig, Fach-Begriffe zu verstehen. Diese Broschüre erklärt Regeln, wie die Formulare ausgefüllt werden müssen. Sie sind als Person der Antragsteller. Anträge sind mit Sorgfalt und ehrlich auszufüllen. Das Jobcenter zahlt das Geld an Sie aus, wenn alle Angaben in Ordnung sind.

Diese Broschüre hilft Ihnen beim Antrag auf das Arbeitslosen-Geld II (ALG II) und beantwortet wichtige Fragen. Es kann sein, dass Sie weitere Fragen haben. Deswegen haben Sie die Möglichkeit, persönlich zum Jobcenter zu gehen oder anzurufen. Dort gibt es eine Person, die Ihren Fall bearbeitet.

Original Textbeispiel Jobcenter

Was ist mit Hilfebedürftigkeit gemeint?
Hilfebedürftigkeit liegt vor, sofern Sie Ihren Lebensunterhalt im Sinne des Existenzminimums nicht durch eigene Kräfte – also etwa durch Einkommen oder Vermögen – bzw. durch Hilfe Dritter sicherstellen können.

Überarbeitung Einfache Sprache

Was ist Hilfe-Bedürftigkeit?
Das Jobcenter zahlt einem Antragsteller ALG II, wenn es eine Hilfe-Bedürftigkeit feststellt. Eine solche liegt vor,
wenn
* eigenes Geld zum Kauf notwendiger Dinge des täglichen Lebens nicht reicht,
* kein Einkommen oder Vermögen da sind, um den Lebensunterhalt zu sichern,
* eine Person die Unterstützung Dritter braucht, um nicht länger hilfe-bedürftig zu sein.
Das Jobcenter entscheidet, dass ein Arbeitssuchender ein Recht auf ALG II hat. Damit hat der Antragsteller den Status eines Hilfe-Bedürftigen.

Original Textbeispiel Jobcenter

Wer gehört alles zur Bedarfsgemeinschaft?
* der oder die erwerbsfähige Hilfebedürftige
* die im Haushalt lebenden eigenen Kinder und die Kinder des Partners, solange sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und unverheiratet sind und kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen haben
* die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten, erwerbsfähigen Kindes, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils
* der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner
* eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (Einstehensgemeinschaft).

Überarbeitung Einfache Sprache

Wer ist Bedarfsgemeinschaft? Wer gehört dazu?
Wer allein lebt, stellt einen Antrag auf ALG II für sich. Viele Arbeitssuchende leben aber mit Personen zusammen. Sie sind eine Bedarfs-Gemeinschaft, wenn sie finanziell voneinander abhängig sind.
Das Gesetz sagt, dass das Arbeitslosen-Geld II für alle Mitglieder einer Bedarfs-Gemeinschaft zum Leben reichen muss.

Ein Arbeitssuchender stellt seinen Antrag für die gesamte Bedarfs-Gemeinschaft.

Zu einer Bedarfs-Gemeinschaft gehören:
* der Antragsteller;
* die im Haushalt lebenden eigenen Kinder und
* die Kinder des Partners:
-> Die Kinder sind nicht älter als 25 Jahre alt.
-> Sie sind unverheiratet.
-> Sie haben kein Einkommen oder Vermögen, das zum Leben reicht.

* Die im Haushalt lebenden Eltern (Vater/Mutter) des Antragstellers.
* Der im Haushalt lebende Elternteil (Vater oder Mutter) eines nicht verheirateten Kindes.

Dieses ist erwerbsfähig, aber nicht älter als 25 Jahre und
* der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils.
* Der Ehepartner des Antragsstellers bzw. der eingetragene Lebenspartner.
* In einer Wohnung lebende Person, die nicht verwandt oder verheiratet sind.

Der Antragsteller weist nach, dass er und die Menschen in seiner Wohnung gegenseitig Verantwortung tragen.

Bei Schwierigkeiten sorgt jeder für den anderen. Der Begriff dafür ist Einstehens-Gemeinschaft.


Original Textbeispiel Jobcenter

Haben Menschen, die in stationären Einrichtungen oder in Haftanstalten untergebracht sind, Anspruch auf Arbeitslosengeld II?
Grundsätzlich entfällt der Anspruch, da Sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Allerdings bleibt die Berechtigung, Arbeitslosengeld II weiter zu erhalten, wenn Sie vermutlich weniger als 6 Monate in Haft bzw. einer stationären Einrichtung verbleiben. Eine weitere Ausnahme gilt, wenn Sie unter trotz der Unterbringung in einer stationären Einrichtung bzw. Haftanstalt unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden die Woche eine Erwerbstätigkeit ausüben.

Überarbeitung Einfache Sprache

Menschen leben in einer stationären Einrichtung oder in Haft. Haben Sie trotzdem Anspruch auf Arbeitslosen-Geld II?
Grundsätzlich ist in einem solchen Fall der Anspruch auf das ALG II weg. Denn ein Mensch in einer stationären Einrichtung oder in Haft (JVA) kann keine Arbeit annehmen.

Die Berechtigung bleibt, wenn er sich vermutlich in weniger als 6 Monaten wieder frei bewegen und eine Arbeit annehmen kann.

Es gilt eine weitere Ausnahme:
Eine Person ist in einer stationären Einrichtung oder in Haft.
Sie darf aber trotzdem mindestens 15 Stunden die Woche arbeiten – unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarktes.

Dann bleibt der Anspruch auf ALG II bestehen.  

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