Das ist mir in zehn Jahren Dozenten-Tätigkeit noch nie passiert: Von 15 überwiegend jüngeren Kursteilnehmenden hatte nur eine Person etwas zum Schreiben mitgebracht. Die übrigen saßen da und wollten sich offensichtlich aufs Zuhören beschränken. Ist Schreiben ein aussterbendes Kulturgut?
Der Kurs war eine Einführung in die Einfache Sprache. Die Teilnehmenden waren Fachkräfte aus dem Pflegebereich mit Führungsverantwortung. Sie wollten ihre Kommunikation mit Menschen verbessern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Sie sahen den Nutzen der Einfachen Sprache insbesondere in der Praxis-Anleitung von Auszubildenden, die einen Migrationshintergrund haben.
Das war die Motivation, in den Kurs zu kommen. Ich erklärte nicht nur die Regeln, sondern wollte kleine Schreibübungen machen. Ich teilte ersatzweise Papier aus. Doch mir war klar, wer kein eigenes Schreibzeug mitbringt, hat wenig Lust, überhaupt etwas aufzuschreiben. Das war dann auch so.
Eine Woche später hatte ich ein weiteres Seminar in einer anderen Stadt. Das Bildungsinstitut habe ich umgehend gebeten, die Teilnehmenden daran zu erinnern, Schreibzeug mit zubringen, noch besser ein Tablet oder Notebook. Das hat dann geklappt.
Wie sind eure Erfahrungen? Sollten Dozent*innen ausdrücklich darauf hinweisen, dass ein Workshop schriftliche Elemente enthält? Wird Schreiben nicht mehr als (traditionelle) Methode zum Lernen betrachtet? Habt ihr Tipps, wie ich insbesondere jüngere Kursteilnehmende davon überzeugen kann, dass Schreiben nützlich in der Fortbildung ist?
In jedem neuen Kurs sind mehr Teilnehmende mit ChatGPT-Erfahrung. Das Interesse an den Regeln sinkt. Das wollen sie der KI überlassen. Stattdessen möchten sie von mir wissen, mit welchen pädagogischen Methoden sie Wissen an Azubis in Einfacher Sprache vermitteln können. Klingt kompliziert. Ist es auch. Und ich bin kein Pädagoge. Was meint ihr? Ist Schreiben ein aussterbendes Kulturgut?

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