Leichte Sprache: Übersetzer*in oder Redakteur*in?

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Jedes Mal, wenn ich Übersetzer*in für die Leichte oder für die Einfache Sprache lese, regt sich bei mir der innere Widerstand. Die meisten, die diese Dienstleistung anbieten, nennen sich selbst Übersetzer*in. Ich habe da meine Bedenken und habe versucht, auf LinkedIn eine Diskussion anzuregen. Auch in den Gremien für eine DIN SPEC 33429 Leichte Sprache herrscht keine Einigkeit, ob die Tätigkeit tatsächlich eine Übersetzung ist.

Nach meinem Verständnis ist ein/e Übersetzer/in jemand, der einen Originaltext Zeile für Zeile, Satz für Satz in eine andere Sprachform bringt.

Einem/r Übersetzer/in ist nicht erlaubt, Inhalte neu zu sortieren. Oder irre ich mich?

Texte in die Leichte oder Einfache Sprache zu bringen, heißt doch, bereits mit dem ersten Satz die Lese-Erwartung zu erfüllen, damit ein Mensch motiviert bleibt weiterzulesen. Kann man diese Leistung noch mit Übersetzung bezeichnen? Nach meiner Überzeugung nicht. Die Lese-Erwartung in den Vordergrund zu stellen, ist eine zentrale Forderung der DIN ISO 24495-1 Einfache Sprache/Plain Language, die auch für die Leichte Sprache gilt.

Leichte Sprache: Was darf ein/e Übersetzer*in?

Darf ein/e Übersetzer/in einen Text neu strukturieren, weil das Original völlig verwirrend aufgebaut ist? Wenn der/die Verfasser/in eines Originaltextes kein Talent zum Schreiben hat (bei vielen Texten aus der Verwaltung der Fall), darf ein/e Übersetzer/in verbessernd eingreifen?

Die KI übersetzt Zeile für Zeile. Sie kann (noch) nicht einschätzen, welche Information für die Zielgruppe (z. B. Menschen mit Lernschwierigkeiten) am Anfang stehen muss, um den Einstieg in den Text möglichst leicht zu gestalten.

Bestes Negativ-Beispiel sind Texte in Leichter Sprache, die mit einer Gender-Erklärung beginnen, weil das im Original auch der Fall ist.

Was darf ein/e Übersetz/in der Leichten Sprache und was nicht? Müsste es nicht besser Texter*in heißen – oder sogar Redakteur*in? Ich war selbst viele Jahre einer. Meine Tätigkeit in der Redaktion kommt der am nächsten, die ich jetzt als Texter für die Einfache Sprache ausübe.

Als Mitglied in den DIN-Gremien für eine DIN SPEC 33429 Leichte Sprache habe ich die Frage nach der korrekten Bezeichnung immer wieder gestellt. Eine Antwort habe ich nie bekommen. Ich bitte um Kommentare. Vielleicht irre ich mich auch.

Kommentare zum Begriff Übersetzer*in auf LinkedIn

„Lieber Uwe, ich sehe das wie du. Ich finde den Begriff „Übersetzer*in“ auch sehr irreführend. Ich suche auch noch nach dem richtigen Begriff.“

„Übersetzung trifft es schon. Ein Übersetzer arbeitet nicht nur am Wort, es geht auch um den Kontext, den Transport von kulturellen Begriffen, die Einordnung des Zieltextes an eine andere Zielgruppe. Ein Übersetzer ist durchaus auch Stilist und zum Beispiel kann gerade bei der Übertragung von Lyrik auch gewisse Restrukturierungen vornehmen, die dann die Stimmung, den Ton eines Textes entsprechend überträgt. Insofern ist der Begriff des Übersetzers wesentlich weiter zu sehen als nur als Wortwandler.“

„Eine Übersetzerin muss nicht am Wort oder Satz kleben. Sie darf durchaus umstrukturieren, um den Inhalt authentischer oder geschmeidiger zu übertragen. Es ist z. B. auch von der Textsorte abhängig, ob und wie dies sinnvoll, abzulehnen oder sogar notwendig ist.“

„Ich bin auch deiner Meinung, Uwe. Als Fremdsprachenübersetzerin DARF ich kaum in die Struktur des Textes eingreifen bzw. nur mit Rücksprache und Begründung. Als Leichte-Sprache-Übersetzerin MUSS ich genau das tun. Das ist ja das Wesen unserer Arbeit in Leichter Sprache. Mir gefällt Texter bzw. Texterin für Leichte Sprache. Das ist einfach und impliziert die textliche Schöpfungshöhe, die wir erbringen.“

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