LEO-Studie 2018 bleibt in der Kritik

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Die Einfache Sprache gehört für das Wissenschaftsteam der LEO-Studie 2018 definitiv nicht zur Alphabetisierungs-Kampagne. Das ist die traurige Erkenntnis aus einer Kontaktaufnahme mit der Leiterin der Studie, Prof. Dr. Anke Grotlüschen. Ich hatte Sie per Mail auf meinen Blogbeitrag zu ihrer Studie aufmerksam gemacht (offizielle Pressemitteilung). Das tat ich in der Hoffnung auf eine Stellungnahme. Sie zeigte jedoch keinerlei Bereitschaft, sich auf das Thema Einfache Sprache im Zusammenhang mit dem Studienergebnis einzulassen.

In meinem Blog hatte ich die Frage gestellt, was in der Untersuchung der Lesekompetenz wohl herausgekommen wäre, hätte man die Probanden an Formularen in Einfacher Sprache getestet? Sie aber mussten zeigen, wie gut sie mit Behördensprache zurechtkommen. So gehört zu den Schlussfolgerungen der Studie, dass staatliche Mittel dafür verwendet werden sollen, Schlechtleser schwere Sprache trainieren zu lassen. Dagegen ist wohl keine Option, Steuergeld dafür auszugeben, dass Behördensprache verständlich wird. Wie es geht, zeige ich in meinen Kursen.

LEO-Studie gibt kein realistisches Bild wider

Ich hielt ihr außerdem vor, dass lediglich die Lesekompetenz der 18- bis 64-Jährigen erforscht wurde. Außen vor blieben die Sechs- bis Siebzehnjährigen. Mit dieser Altersbeschränkung lässt sich aber keine glaubhafte Vorhersage über die Entwicklung der Lesekompetenz in der Gesellschaft machen.

In der Xing-Gruppe Einfache Sprache wurde berechtigterweise darauf aufmerksam gemacht, dass die oftmals schlechte Lesekompetenz von Senioren ebenfalls unberücksichtigt geblieben sei. Mit diesen doch schwerwiegenden Einschränkungen gibt die LEO-Studie 2018 nach unserer Überzeugung kein realistisches Bild vom Alphabetisierungsgrad der Deutschen wider.

Zum anderen kritisierte ich die schwere Wissenschaftssprache in den Materialien für die Medien. Mein vollständiger Blogbeitrag.

Antwort besteht aus Link auf die Leichte Sprache

Meine Mail an die Professorin war ausführlich. Die Antwort-Mail von Frau Grotlüschen war hin gegen kurz.

Die Wissenschaftlerin schrieb:

„das Wesentliche aus der LEO-Studie wurde übersetzt. Es ist hier in leichter Sprache zu finden: https://www.alphadekade.de/de/leichte-sprache.html

Wir freuen uns, wenn Sie in Ihrem Artikel darauf hinweisen.“

Ihr Link führt zu der typischen Webseite in Leichter Sprache – einmal geschrieben, für immer verstaubt. Frau Grotlüschen hat gezeigt, dass sie sich inhaltlich mit meinem Text überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Vielleicht hat sie ihn nicht mal gelesen.

Weitere Mail an die Leiterin der LEO-Studie

Ich schrieb der Professorin eine weitere Mail, die bis heute unbeantwortet ist.

Hallo Frau Grotlüschen,

danke für den Link. Übers Wochenende habe ich mir den Text in Leichter Sprache angeschaut. Der Text hat leider überhaupt keinen Bezug zu den aktuellen Ergebnissen Ihrer LEO-Studie 2018. Insofern hat er keinen mittelbaren Nutzen für meinen Text. Den Link zu verwenden, würde zudem meinen eigenen Ansatz in Frage stellen.

Ich beschäftige mich mit der Einfachen Sprache. Das ist nicht vergleichbar. Die Leichte Sprache ist ein Modell für eine Nische (https://leichtgesagt.eu/leichte-sprache-kritik). Leichte Sprache ist ausschließlich für Menschen mit geistiger Behinderung gedacht oder für Menschen, die seit einigen Monaten Deutsch lernen.

Die Einfache Sprache ist für alle und speziell für die Gruppen, deren Lesekompetenz Sie näher beleuchtet haben, also Schlechtleser.

Der Text von Capito Bodensee hat aus meiner Sicht einige Mängel. Er setzt zum Beispiel voraus, dass Menschen verstehen, was Grundbildung bedeutet. Menschen, die lediglich die Leichte Sprache verstehen, können mit der Zahl 7 Millionen wiederum wenig anfangen. Nach dem Regelwerk der Leichten Sprache wäre „sehr viele Menschen“ richtig gewesen.

Der Text ist die übliche (vom Behindertengleichstellungsgesetz vorgeschriebene) Pflichtübung von Bundesministerien und -Behörden, auf der Internetseite eine in Leichter Sprache zu veröffentlichen. Einmal geschrieben und ins Netz gestellt, „verstauben“ sie dort. 99 Prozent einer Webseite in Normalsprache und ein Prozent in Leichter Sprache. Da kann man nicht von einem Internetauftritt mit barrierefreier Kommunikation sprechen.

Ich hatte selbstverständlich gehofft, dass Sie sich mit meinem Blogbeitrag etwas näher beschäftigen. Aber ich verstehe, wenn Ihnen dazu die Zeit fehlt.


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