Foto: Uwe Roth

Einfache Sprache als Brücke zwischen Gruppensprachen

Lesedauer 3 Minuten

Einfache Sprache hat zwar ihren Ursprung in der Behindertenhilfe. Seit einigen Jahren wird jedoch erkannt, dass sie mit ihrem klaren Satzbau und ihrer verständlichen Wortwahl ein großes Potenzial hat, Brücke zwischen Gruppensprachen zu sein. In der Sprache der Gruppe der Soziolinguistik sind dies Soziolekte. Sie werden immer zahlreicher. Im Extremfall ist es tatsächlich so, dass ein Soziolekt von einer anderen Gruppe bzw. von der Allgemeinheit nicht verstanden wird. Eine gemeinsame Muttersprache garantiert längst nicht mehr, dass man sich „untereinander“ versteht.

Eine Gruppensprache wird von einer begrenzten Zahl Menschen gesprochen und verstanden. Sie ist das Gegenteil einer Universalsprache oder Gemeinsprache (Allgemeinsprache). Eine Gruppensprache zeichnet sich durch einen spezifischen Wortschatz aus. Weitere Merkmale können eine eigene Interpretation der Rechtschreib- und Grammatikregeln sein sowie eine besondere Aussprache. Im schlimmsten Fall bilden sich in einer Gruppensprache eigene Wahrheiten heraus.

Gesellschaft geht gemeinsame Sprache verloren

Meine Theorie ist, dass der Gesellschaft ihre gemeinsame Sprache verloren geht und in Nischensprachen zerfällt. Dialekte können ebenfalls als Gruppensprache verstanden werden. Doch Mundart wird kaum noch gesprochen. In der Bevölkerung sinkt die Lese- und Schreibkonferenz. Gleichzeitig werden Fachsprachen dominanter. Einfache Sprache vermittelt zwischen diesen beiden Entwicklungen: Texte werden zum einen von Schlechtlesern gut verstanden. Schreiben in Einfacher Sprache gehört zu meinen Dienstleistungen. Zum anderen gibt Einfache Sprache Fachleuten eine Orientierung, wie sie ihr Fachwissen verständlicher vermitteln können. Eine Einfache Sprache für alle (Plain Language). Das ist mein methodischer Ansatz für die Workshops.

Jugendliche im Museum sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Foto: Uwe Roth
Jugendliche im Museum sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Foto: Uwe Roth

Nicht nur die sozialen Medien beflügeln, dass immer mehr Kleingruppen entstehen, die in abgeschlossenen (virtuellen) Räumen miteinander kommunizieren und ihre eigene Vorstellung von Klartext haben. Algorithmen machen ausschließlich solche Menschen auf die Gruppe aufmerksam, die gleich ticken. Andersdenkende bleiben außen vor.

Anhänger einer Gruppe kommunizieren auf ihre eigene Art. Sie wollen sich mit einer eigenen Sprache nicht allein von anderen (bewusst) abgrenzen. Sondern sie schreiben oder reden so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das heißt, sie verständigen sich (unbewusst) auf ein gemeinsames Sprach- und Leseniveau. Die gewählten Themen, über die sich eine Gruppe austauscht, ist oftmals vom gemeinsamen Bildungslevel abhängig. So entsteht nach und nach eine Gruppensprache. Je jünger die Mitglieder einer Gruppe, umso stärker besteht die gemeinsame Verständigung aus Bildsprache.

Gruppensprachen driften auseinander

Aber auch Juristen, Wissenschaftler, Ingenieure, Beamte und genauso Politiker/innen bleiben sprachlich unter sich. Sie bewegen sich in ihrer Fachsprache – auf wenn sie sich dessen oft nicht bewusst sind. Manager entfernen sich sprachlich von den Beschäftigten. Die Situation verschärft sich, da in der Bevölkerung die Lese- und Schreibkompetenz insgesamt abnimmt. Das heißt, Fachsprache (sofern es nicht die eigene ist) wird immer weniger verstanden.

Emoji-Sammlung. Quelle: pixabay
Emoji-Sammlung. Quelle: pixabay

Bürgerinitiativen, Protestbewegungen, politische Gruppierungen entwickeln ebenfalls eigene Gruppensprachen. Da die Wortwahl von Gegenmeinungen nicht beeinflusst wird, besteht die Gefahr, dass sich Inhalte einer Gruppensprache von der Realität abkoppeln. Die Ausdrucksweisen von Gruppensprachen driften immer weiter auseinander. Facebook- oder WhatsApp-Nachrichten junger Menschen verstehe ich kaum noch, zumal Emojis das geschriebene Wort abzulösen scheinen.

Die Hoffnung ist gering, dass Menschen ihre Kommunikationsfähigkeiten stärken, um sich in der komplizierter werdenden Welt zurechtzufinden. Für mich besteht (ein Teil) der Lösung darin, dass die Vertreter einer Fachsprache lernen müssen, sich außerhalb der eigenen Gruppensprache verständlich auszudrücken – und zwar zielgruppengerecht. Einfache Sprache hilft dabei (leichtgesagt.eu).


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert