Barrierefreies Internet: „öffentliche Stellen“ in Eile – Einfache Sprache nicht vernachlässigen!

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Von September 2020 an müssen die Internetseiten der „öffentlichen Stellen“ barrierefrei zugänglich sein. Das heißt unter anderem, Portal-Betreiber sollen Informationen in Leichter Sprache bzw. Einfacher Sprache anbieten. Das ist mein Thema als Texter für die Einfachen Sprache in journalistischer Qualität. Es geht nicht nur darum, dass Besucher die Schrift bei Bedarf vergrößern oder den Kontrast verbessern können. Es geht auch und – aus meiner Sicht vor allem – um verständliche Informationen. Gerne unterstütze ich Sie dabei, die Vorgaben zu erfüllen. Ich liefere Ihnen Texte in Einfacher Sprache, die individuell formuliert und nicht von der Stange sind. Schreiben Sie mir.

Mein besonderes Anliegen ist die Einfache Sprache für alle Bürger. Mein Konzept basiert auf dem von Plain Language, dem unter anderem Unternehmen folgen, um die Kommunikation mit Kunden zu verbessern.

Mit „öffentlichen Stellen“ sind in Deutschland laut Bundesfachstelle Barrierefreiheit sämtliche Einrichtungen gemeint, die vom Steuerzahler finanziert werden. Um es vereinfacht auf den Punkt zu bringen. Hier die komplette Antwort der Bundesfachstelle Barrierefreiheit auf meine Anfrage.

Unter „öffentliche Stellen“ sind

  • neben Verwaltungen,
  • Behörden und Ämter
  • sämtliche Unternehmen

gemeint, die in öffentlicher Trägerschaft sind. Davon gibt es viele.

Zu den öffentlichen Stellen im Sinne der Richtlinie gehören auch Kommunen, kommunale Verbände und kommunale Betriebe.

Zitat Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Auch Stadtwerke müssen ihr Internet barrierefrei machen

Die Vorschriften für barrierefreie Internetseiten schließen ausdrücklich die kommunale Ebene ein. Das sind nicht allein die Webauftritte

  • der Städte und Gemeinden sowie
  • der Landkreise, sondern auch die von
  • Jobcentern,
  • Bibliotheken,
  • Stadtwerken,
  • Kliniken oder
  • kommunalen Busbetreibern etc.

Ich glaube, die wenigsten dieser Unternehmen denken daran, dass sie von der Vorschrift betroffen sind, die ihren Ursprung in der Europäischen Union (EU) hat. Umgesetzt ist diese in Ländervorschriften (Beispiel Baden-Württemberg).

Umsetzungsfristen laut Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Websites, die ab dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, müssen die Erklärung zur Barrierefreiheit ab dem 23. September 2019 veröffentlichen. Alle anderen Websites ab dem 23. September 2020. Apps müssen die Erklärung zur Barrierefreiheit erst ab dem 23. Juni 2021 veröffentlichen.

Bedenkt man die üblichen Laufzeiten von IT-Projekten in öffentlichen Verwaltungen, muss man feststellen, der September ist nicht mehr weit. Mich interessiert besonders, wie ernst nehmen es die Verantwortlichen der Projekte mit der Verständlichkeit ihrer Texte auf der Webseite?

Machen sie sich die Mühe, nicht nur an Internetbesucher mit einer Hör- und/oder Sehbehinderung zu denken, sondern auch an die mit einer Leseschwäche? Bringen sie wesentliche Texte in die Leichte/Einfache Sprache oder übertragen sie die schweren Texte des alten Auftritts mit Kopieren und Einfügen auf den neuen? Weil es einfach günstiger ist.

Aufwand für die Einfache Sprache lohnt sich im Internetauftritt

Aus den Gesprächen, die ich so führe, wollen die öffentlichen Betreiber eines Portals Informationen in Leichter Sprache aus Kostengründen auf das Minimalste beschränken. An die Einfache Sprache für alle Besucher des Auftritts denken die wenigsten. Diejenigen, die es erwägen, nehmen am Ende aus Kostengründen davon Abstand.

Plugins für Kontrast und Schriftgröße zu integrieren, ist ohne Aufwand machbar. Auch eine Vorlesefunktion oder Übersetzung in Gebärdensprache etc. ist in der technischen Umsetzung nicht schwierig. Inzwischen bieten die gängigen Internetbrowser einige Funktionen sogar kostenlos. Da ist von hausinternen IT-Seite kaum mehr etwas zu tun.

Der Gesetzgeber (zumindest der in Baden-Württemberg) stellt keine hohen Anforderungen an die Verständlichkeit von Texten. Wie es schon immer war, reicht eine separate Webseite in Leichter Sprache. Was aber bringt eine solche Seite, auf der lediglich erklärt wird, wer der Portalbetreiber ist und was grob die Inhalte sind? Meistens sind solche Seiten Sackgassen. Unten angekommen, führen sie nirgendwo weiter. Alle Schaltjahre werden sie mal aktualisiert.

Deutsche Vorschrift wird der UN-Konvention für Barrierefreiheit nicht gerecht

95 Prozent des Webauftritts bleiben in schwerer Sprache. Das ist so, als könnte sich ein Sehbehinderter eine einzige Internetseite vorlesen lassen und den Rest nicht. Oder ein Rollstuhlfahrer kommt über eine Rampe in ein öffentliches Gebäude, von dort aber nicht weiter, weil es keinen Aufzug in die oberen Stockwerke gibt.

Damit ist der Anspruch aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BrK) nicht erfüllt, behinderten Menschen Zugangsfreiheit zu Informationen zu geben (siehe Artikel 24). Das Grundrecht gilt selbstverständlich für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder einer psychischen Behinderung.

Aufträge, Texte für eine separate Seite zu schreiben, nur um formal Vorschriften zu entsprechen, nehme ich nicht an. Das lehnte ich ab, weil es der Zielgruppe nicht gerecht wird. Der Zielgruppe gerecht zu werden und nicht eins zu eins Vorschriften zu erfüllen, die teilweise überholt sind, das muss doch der Auftrag an die öffentliche Verwaltung sein.

Viele Texte in Leichter Sprache sind tatsächlich Einfache Sprache

Unter Textern und Texterinnen gibt es immer mehr, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Einfacher Sprache schreiben. Mit Leichter Sprache kann man keine Inhalte transportieren. Diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch. Viele Texte im Internet, die das Logo Leichte Sprache tragen, sind tatsächlich Einfache Sprache. Ich erkenne das auf den ersten Blick, weil es eben doch längere Sätze mit Nebensätzen gibt. Wer ernsthaft Informationen weitergeben möchte, der scheitert mit Leichter Sprache.

Ich plädiere, zumindest die Seiten des Sozialdezernats in Einfache Sprache zu übertragen. Verständlichkeit für alle Bürger. Wie viele Landratsämter und kreisfreie Stadtverwaltungen in Baden-Württemberg die Vorgaben bereits erfüllen, habe ich im Januar 2020 untersucht. Auf den allermeisten Internetseiten finden sich keine barrierefreien Informationsangebote. In der Regel ist die Beschreibung des Behindertenbeauftragten in schwerer Sprache. Die wenigsten Landratsämter haben eine Internetseite in Leichter Sprache, auf der die Kreisverwaltung vorgestellt wird.

Menschen mit Behinderung werden direkte Kunden der öffentlichen Verwaltung

Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes werden Menschen mit Behinderung direkte Kunden der Landratsämter. Da sollte ein Landratsamt nicht nur für Rollstuhlfahrer barrierefrei zu erreichen sein, sondern auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistigen Behinderung oder mit psychischen Problemen. Es besteht Informationsbedarf.

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