Quelle: Fraunhofer Institut Kaiserslautern

Einfache Sprache (Plain Language) braucht Regeln für Umgang mit 3000 Emojis

Lesedauer 5 Minuten

Emojis könnten zur ersten globalen Bildersprache werden. Daher ist es unerlässlich, den Umgang mit Piktogrammen in Regeln für die Einfache Sprache zu fassen. Auch die geplante DIN Spec Leichte Sprache darf 3000 Emojis in einer Normung nicht ignorieren.

Einfache Sprache befasst sich nicht mit bunten Emojis. Zumindest nicht intensiv. Das sollte sich ändern. Emojis müssen ein Thema für die Einfache Sprache werden. Derzeit entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language. In Deutschland ist eine der ISO entsprechende DIN Einfache Sprache in Arbeit. Mein Plädoyer ist, dass Empfehlungen zum Gebrauch von Emojis in jedem Fall in die Normen einbezogen werden müssen.

Emojis entwickeln sich weltweit zu einer eigenständigen Sprache von Symbolen, in der Buchstaben nichts zu suchen haben. Symbolsprache steht in einem wachsenden Wettbewerb mit Schriftsprache. Bildsymbole erweitern die Schrift – oder verdrängen diese. Das ist die ungeklärte Frage.

Uwe Roth ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung (DIN). Dort entstehen zwei Regelwerke: Eine DIN Spec 33429 Leichte Sprache sowie eine DIN 8581-1 Einfache Sprache. Uwe Roth arbeitet an beiden Regelwerken intensiv mit. Zusätzlich entsteht auf internationaler Ebene eine ISO 24495 Plain Language (Einfache Sprache). Diese wird in einer DIN umgesetzt. Zu meinem Blog.

Emojis sind im Gebrauch der Schrift verwurzelt

Sollte ein Text nicht weiterhin so gestaltet sein, dass dieser vorgelesen werden kann? Wie liest man einen Text (laut), der Emojis enthält? Wie geht eine Software für Übersetzungen mit Emojis um? Übersetzt diese die Wörter und übernimmt das Emoji aus dem Ursprungstext? Insbesondere Einfache Sprache (Plain Language) im Herkunftstext dient dazu, die Qualität automatischer Übersetzungen zu verbessern. Allein aus diesem Grund sollten Emojis in Normen für Verständlichkeit nicht unterschlagen werden. Sie zu verbieten, wird schlicht nicht möglich sein. Sie sind bereits zu sehr im Gebrauch der Schrift verwurzelt.

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Der chinesische Künstler Xu Bing hat 2014 ein Buch veröffentlicht, das ausschließlich aus Emojis besteht und auf Schrift völlig verzichtet. Der Versuch, Schrift- durch Bildsprache abzulösen, mag man als avantgardistisches Kunstprojekt abtun, das nicht die Zukunft vorwegnimmt. Tatsache aber ist, dass bei jüngeren Generationen Emojis, Stickers und ähnliche Symbolzeichen zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihrer schriftlichen Kommunikation geworden sind. Auf den wollen sie nicht mehr verzichten. Es gibt sogar eine Tatstatur-Belegung mit ausschließlich Emojis.

Pflicht zur korrekten Grammatik und Rechtschreibung schwindet

Symbolsprache gewinnt zweifellos an Bedeutung. Gleichzeitig fühlen sich immer weniger Menschen dazu verpflichtet, Grammatik und Rechtschreibung korrekt anzuwenden. Mein Hinweis im Unterricht zur barrierefreien Kommunikation, dass ein Verb in einem Satz und ein Punkt am Satzende zwingend zur Einfachen Sprache gehören, löst insbesondere bei jüngeren Leuten immer öfter verständnisloses Stirnrunzeln aus.

Fraunhofer-Institut forscht über Eindeutigkeit von Emojis

Simon André Scherr ist Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern. Er beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Verständlichkeit von Emojis. Ich habe mich mit ihm darüber unterhalten. Inzwischen arbeitet er an der dritten Studie.
Über den Link emoji-poll.de kann jeder in einer fünfminütigen Umfrage dazu beitragen wissenschaftlich herauszufinden, wie einheitlich Emojis verstanden werden. Kernergebnis der Studie bisher ist laut seiner Aussage, dass einerseits die meisten Emojis von Menschen sehr ähnlich wahrgenommen werden, wie das tränenlachende Emoji (?) oder das rote Herz (❤️).
Andererseits werden beispielsweise der äußerst beliebte Affe, der sich die Augen zuhält (?), die Kollision (?) oder auch das errötete Gesicht (?) sehr widersprüchlich verstanden.
Er stellt zu seiner Studie fest: „Konkret heißt das, dass wir 93,3 Prozent der Emojis (669 Emojis) eindeutig einer Stimmung und 79,6 Prozent (571 Emojis) sogar einer Emotion zuordnen können.
Die Eindeutigkeit war stets erreicht, wenn für eine Stimmung bzw. eine Emotion eine absolute Mehrheit gefunden werden konnte.
Das Tränenlachende Emoji, welches im Jahre 2015 vom Oxford Dictionary sogar zum Wort des Jahres gekürt wurde und außerdem auch das beliebteste Emoji ist, wurde z.B. in unserer Studie von 98,2 Prozent der Menschen als positiv wahrgenommen und lässt sich somit eindeutig einer Stimmung zuordnen.“

Dieser Entwicklung weg von einer traditionellen Lese- und Schreibkompetenz müssen Normen gerecht werden. Nur dann wird Sprache im Sinn einer ISO/DIN weiterhin verständlich bleiben. Eine ISO/DIN zur Leichten und Einfachen Sprache sollte nicht schon in ein paar Jahren als veraltet gelten, nur weil diese nicht mehr einer ihrer wichtigsten Zwecke erfüllt: Inhalte müssen eindeutig verstehbar sein. Ein Katalog von Normen ist darauf ausgerichtet, Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden. Es sind 3000 Emojis im Umlauf. Vorläufer sind die Emoticons aus Schriftzeichen. Die bekanntesten sind :-), :-o,  oder :-(.

Emojis sind seit 2010 standardisiert – sind sie dadurch eindeutig und für die Einfache Sprache nutzbar?

Die aufwendigeren Emojis haben ihren Ursprung in Japan. Sie sind seit 2010 standardisiert. Doch sind sie damit automatisch eindeutig? Die Piktogramme entstehen dort im kulturellen Kontext ihres Schöpfers. Der Gesichtsausdruck eines Emojis muss in Europa nicht automatisch das gleiche mitteilen wie in asiatischen Ländern. Emojis können Missverständnisse verursachen.

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Es setzen sich Gerichte damit auseinander: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte darüber zu entscheiden, ob die Umschreibung eines Vorgesetzten mit einem Tier-Emoji (fettes Schwein) ein Kündigungsgrund ist. Der Beschäftigte hat so in Facebook seinem Ärger Ausdruck verliehen. Nach dem Urteil kam er mit einer Abmahnung davon.

Oberstes Prinzip für Einfache Sprache: auf den Wortschatz des Lesers achten

Ob ein Text verständlich ist, hängt im Wesentlichen vom verwendeten Wortschatz ab. Nur ein Wort, das der Lesende kennt, versteht er. Das gilt in einem noch stärkeren Maß für die Einfache Sprache (Plain Language). Eine weitere DIN befasst sich mit der Leichten Sprache für die Kommunikation mit Menschen, die sehr eingeschränkt lesen (und verstehen) können.

Leichte und Einfache Sprache beschränken sich nicht auf kurze Sätze, eine klare Grammatik und auf den Verzicht von Fachbegriffen. Für die Verständlichkeit kommt es im Wesentlichen auf die Wahl der Worte an.

Junge Menschen drücken Gefühle lieber über Emojis aus als mit Worten

Und die Wahl fällt vor allem bei jüngeren Menschen immer häufiger auf Emojis statt auf Worte, wenn sie ein Gefühl ausdrücken oder eine Situation umschreiben möchten. Die Texter*innen signalisieren mit einem Piktogramm Zustimmung oder Ablehnung, Lob und Tadel, Wut, Freude, Krankheit, Hunger und beinahe unendlich viel mehr.

Im Gegensatz zu Wörtern gibt es für Emojis keinen Duden. Wir lernen in der Schule keine Regeln, wie wir sie verwenden sollen. Die Regellosigkeit führt zu Missverständnissen. Auch für Emojis gilt: Nur wer ein verwendetes kennt, versteht seinen Sinn korrekt.

Emojis sind sowohl Illustrationen als auch Bestandteil des Wortschatzes von Menschen, die sie regelmäßig und oft verwenden. Illustrationen ergänzen einen Satz. Emojis sollen ein Wort oder sogar einen ganzen Satz ersetzen. Die Frage stellt sich, ob Emojis tatsächlich so ausdrucksstark sein können wie die Schrift. 3000 Emojis sind im Umlauf. Jedes Jahr werden es mehr. Im Gegensatz zu Wörtern gibt es für Emojis keinen Duden. Wir lernen in der Schule keine Regeln, wie wir sie verwenden sollen. Die Regellosigkeit führt zu Missverständnissen. Auch für Emojis gilt: Nur wer ein verwendetes kennt, versteht seinen Sinn korrekt.

Junge Menschen verteidigen Emojis in ihrer Kommunikation vehement

Welche Bedeutung Emojis inzwischen haben, erfahre ich in meinem Unterricht. Die Teilnehmenden sind angehende Heilpädagogen oder Heilerziehungspfleger und im Schnitt zwischen 20 und 30 Jahre alt. Möchte ich eine Diskussion provozieren, muss ich lediglich die Behauptung aufstellen, Emojis seien nicht eindeutig. Sie haben außerhalb der Kommunikation mit Freunden in Texten nichts zu suchen.

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In diesem Moment fällt der Kurs kollektiv über mich her. Emojis seien eindeutig zu verstehen – auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung. Was eindeutig nicht der Fall ist. Die Kursteilnehmenden versichern mir, dass sie zwei Varianten der schriftlichen Kommunikation beherrschen: die mit Emojis gespickte im privaten und die klassische im beruflichen Austausch. Korrekt formulierte Mails – beispielsweise an die Vorgesetzten – seien  kein Problem, behaupten sie.

Kontaktaufnahme zu Fremden findet mit freundlichen Emojis statt

Das deckt sich nicht mit meiner Erfahrung: Bekomme ich berufliche Mails, deren Absender mir neu sind, sind diese oftmals nicht frei von Emojis. Ein mir Unbekannter nimmt Kontakt zu mir auf, in dem er mit einem lachenden Emojis in seinem Text sein friedliches Ansinnen unterstreichen will? Oder verstehe ich da etwas falsch?

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Kürzlich sah ich ein Tutorial zu Microsoft Teams. Es war von jungen Leuten sehr gut gemacht. Was mich aber staunte war die Zeit, die man der Verwendung von Emojis im Chat einräumte. Dass Emojis in der (internen und externen) Kommunikation zulässig sind, stand für die Macher des Video-Tutorials außer Frage – auch über Hierarchie-Ebenen hinweg.

Am Ende müssen wir dafür sorgen, dass Sprache durch Symbole nicht beliebig wird und ihre Verständlichkeit verliert.

Das war für mich ein weiterer Hinweis, dass wir mit Emojis in der Kommunikation für immer leben und damit zurechtkommen müssen. Ich beobachte, dass Menschen, die häufig Emojis in ihre Kommunikation einbauen, immer weniger in der Lage sind, Gefühle mit Worten zu beschreiben, die komplexer sind als traurig und lustig etc. Das ist zwar :-((. Doch diejenigen, die für Leichte und Einfache Sprache (Plain Language) zuständig sind, müssen damit lernen umzugehen. Am Ende müssen wir dafür sorgen, dass Sprache durch Symbole nicht beliebig wird und ihre Verständlichkeit verliert.

Insgesamt werden im Internet täglich mehr als sechs Milliarden Emojis versendet. Da Emojis weltweit verwendet werden, ist immer wieder davon die Rede, dass Emojis die erste globale Sprache werden.

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