Einfache Sprache braucht Mut zur Ehrlichkeit

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Die Bloggerin Filiz Scarcella hat im Februar 2019 „6 Tipps für mehr Klartext“ veröffentlicht. Sie kritisiert, dass Menschen schon aus dem Grund kompliziert reden, um höflich zu bleiben, Konflikten aus dem Weg zu gehen, um nicht anzuecken oder um Sympathiepunkte zu sammeln. Der Mensch vermeidet Klartext, redet um den heißen Brei herum, um Stress zu vermeiden. Jeder von uns kennt das. Wo aber liegen die Grenzen zwischen Höflichkeit und reiner Sprachvernebelung. Die Tipps für mehr Klartext haben ebenso für die Einfache Sprache ihre Berechtigung. Sie ist Grundlage meines Kommunikationstrainings, an dem Führungskräfte bzw. Akademiker teilnehmen, die einen Ausweg aus ihrer Fachsprache suchen. Am Ende steht immer die Erkenntnis: Einfache Sprache braucht Mut zur Ehrlichkeit.

Verzicht auf Konjunktiv fällt schwer

Klartext reden, kann an Kleinigkeiten scheitern. Das betrifft genauso die Einfache Sprache. In meinen Seminaren plädiere ich dafür, auf den Konjunktiv zu verzichten zum Beispiel bei Floskeln der Höflichkeit:

  • Warum, „würde es Ihnen etwas ausmachen? und nicht, „macht es ihnen etwas aus?
  • Warum, „ich würde mich über eine Nachricht freuen“, anstatt, „ich freue mich über eine Nachricht“?
  • Warum, „könnten Sie morgen etwas früher kommen?“, und nicht, „Kommen Sie morgen etwas früher, bitte“?
  • Warum, „würden Sie den Schreibtisch freimachen?“, und nicht, „Machen Sie bitte den Schreibtisch frei“?
  • Warum, „hätten Sie Platz in Ihrem Kalender für ein Treffen?, und nicht, „wann haben Sie für ein Treffen Zeit?“
  • Warum eine unverbindliche Frage stellen, statt höflich direkt zu bitten?

Würde, könnte, hätte – statt Klartext

Würde, könnte, hätte… Zugegeben, manchmal ist der Unterschied marginal. Doch die Regeln der Leichten Sprache verbieten den Konjunktiv. Und die Einfache Sprache sollte sich ebenfalls daran halten. Der Konjunktiv lässt sich ganz leicht mit einem „Bitte“ im Satz ersetzen. Wird die Bitte ausgesprochen, hilft zusätzlich ein freundliches Gesicht. Und es ist logisch: Jede zusätzliche Form der Grammatik erschwert Menschen mit Verständnisproblemen das Verstehen eines Satzes oder eines Textes. Einem Migranten wird in seinem A1-Sprachkurs nicht als erstes beigebracht, „ich würde mich gerne vorstellen“, sondern „ich heiße xy“. Beispiele überflüssiger Grammatik finden Sie in diesem Blogbeitrag.

Der Konjunktiv ist ein Klartext-Feind, stellt die Bloggerin aus der Schweiz in Übereinstimmung mit mir fest.

Filiz Scarcella sagt:

„Schon mal versucht mit einer größeren Freundesgruppe ein Treffen zu planen? In der Chat-Gruppe wird viel aber eben auch gar nichts gesagt. Man könnte ja, wenn man denn wüsste, wann und wo. Aber dann müsste man sich festlegen. Aber wer weiß denn schon, was dann ist. Auch hier gibt es wieder zahlreiche Beispiele aus dem Arbeitsalltag. Statt klarer Ziele wird da eher eine schwammige Richtung angegeben, statt definierter Aufgaben könnte, sollte, wenn denn wöllte.“

Unverbindlichkeit des Konjunktivs ist in Ordnung?

In meinen Seminaren stelle ich fest, dass es vielen Teilnehmern extrem schwer fällt, in Bitten und Aufforderungen auf den Konjunktiv zu verzichten. Das ist auch im Unterricht mit Fachschülern so, die mit Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung arbeiten. Ich ernte sogar Widerspruch.

Im fiktiven Dialog mit einem Klienten, fragte die junge Frau: „Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Tisch abzudecken?“ Der Satz, „Decken Sie bitte den Tisch ab“, kam ihr fast nicht über die Lippen. Das sei unhöflich, so ihre Begründung. Die Unverbindlichkeit des Konjunktivs fand sie voll in Ordnung. Sie lasse dem Klienten mehr Raum, die Arbeit abzulehnen.

Scheu vor der direkten Ansprache

Ich habe die Begründung nicht so richtig verstanden. Ein Mensch mit einer geistigen Behinderung achtet in der Regel nicht sehr auf grammatikalische Feinheiten. Ein „Bitte“ und ein höfliches Lächeln versteht er dagegen sehr gut. Aber anscheinend haben wir den Konjunktiv als Brücke der Höflichkeit so verinnerlicht, dass wir uns Höflichkeit im direkten Ausdruck nicht zutrauen und quasi verbal über die Bande spielen..

Dabei wird das in den Konjunktiv gebrachte Hilfsverb „werden“ nicht einmal korrekt verwendet: „Würden Sie mir helfen…“ müsste richtigerweise mit einem Nebensatz fortgeführt werden, eingeleitet mit „wenn“. Also, „würden Sie mir helfen, wenn…?“ Die Kursteilnehmerin hat das sicher mitgedacht, aber nicht laut ausgesprochen: „Würden Sie den Tisch abdecken, wenn Sie Lust dazu haben?“ Schlimmer aber ist die Floskel, „über eine Antwort würde ich mich freuen?“ Streng genommen heißt das: „Ob ich mich über Ihre Antwort freuen werde, entscheide ich dann, wenn ich sie gelesen habe.“

Direktheit ist ein Muss in der Einfachen Sprache

Die Einfache Sprache ist eine schlanke und deswegen sehr ehrliche Sprache. Einfache Sprache nimmt den Leser ernst. Er erkennt beim Lesen sofort die Information. Vielleicht ist genau das der Grund, warum es die Einfache Sprache so selten gibt. Das kann man sehr schön in Wahlprogrammen beobachten. Für die politischen Parteien ist eine Version in Leichter Sprache zu einem Muss geworden. In Leichter Sprache bleibt die Substanz dessen übrig, was eine Partei tatsächlich will. Der ganze Verschleierungsnebel ist weg.

Mehr zum Thema: Artikel im Vorwärts (externer Link), Interview (externer Link)


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