Foto: Uwe Roth

Mail an Raul Krauthausen – betrifft Barrierefreiheit und Leichte Sprache

Lesedauer 4 Minuten

Raul Krauthausen ist Deutschlands bekanntester Aktivist für Menschen mit Behinderung. Ich schätze sein Engagement sehr und durchaus auch seine Fähigkeit, sich selbst zu vermarkten. Von Leichter Sprache hält er anscheinend aber nichts, obwohl auch die zur Inklusion und Barrierefreiheit gehört. Das sind seine bevorzugten Themen. Er pflegt sogar auf seiner Internetseite wohl sehr bewusst die schwere Sprache. Ich habe ihm deswegen eine Mail geschrieben und nachgehakt…

Raul Krauthausen streitet für die Rechte der Behinderten. Die Menschen mit Lernschwierigkeiten grenzt er meiner Meinung nach aus. Das lässt sich schon daran festmachen, dass er für sich und seinen Rollstuhl selbstverständlich eine Rampe erwartet. Er selbst und seine Veröffentlichungen missachten aber die barrierefreie Kommunikation. Das ist eine Zwei-Klassen-Barrierefreiheit.

Lieblingsbegriffe von Krauthausen sind beispielsweise Ableismus oder „strukturelle Exklusion“. Letzteren Begriff kann ich mir noch erklären. Ableismus musste ich googlen. Ableismus steht für Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Könnte man auch so schreiben. Mein Hilfsinstrument, um die Verständlichkeit von Texten zu prüfen, ist TextLab. Diesen Text habe ich einer Prüfung unterzogen: „Vier Menschen sind tot, der Ableismus lebt„.

Das Ergebnis: Der Indexwert liegt bei 12,3 von notwendigen 16 Punkten auf der HIX-Skala (Hohenheimer Verständlichkeits-Index). 16 – das ist der Wert, den die Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler für Internettexte angesetzt haben. Alles darüber wäre Einfache bis Leichte Sprache.

Ich habe Raul Krauthausen eine Mail geschrieben und ihn gefragt, ob mein Eindruck richtig ist. Er hat geantwortet, ist aber auf meine Fragen überhaupt nicht eingegangen. Ich habe nachgehakt. Zurück kam eine Einladung, seine Newsletter zu abonnieren.

Da Raul Krauthausen viel in der Öffentlichkeit ist, habe ich beschlossen, den Mailverkehr zwischen uns öffentlich zu machen.

Erinnerungs-Mail an Raul Krauthausen

Sehr geehrter Herr Krauthausen,

am 27. Oktober habe ich Ihnen über Xing eine Mail geschickt. Leider habe ich von Ihnen nichts gehört. Sie sind eigentlich dafür bekannt, dass Sie auf Nachrichten in den sozialen Medien schnell reagieren.

Eventuell ist meine Mail bei Ihnen nicht angekommen. Um diese Möglichkeit auszuräumen, schicke ich Ihnen meinen Mailtext erneut. Mit ist das Thema sehr wichtig. Und ich möchte es in meinem nächsten Blog verarbeiten.

Herzliche Grüße Uwe Roth

Mail an Krauthausen wegen schwerer Sprache in seinem Podcast

Hallo Herr Krauthausen,

eben erst habe ich Ihre BR-Serie „Die neue Norm“ entdeckt. Ich bewundere schon lange Ihr Engagement und Ihr großes Talent fürs Eigenmarketing. Was mich aber schon lange stört, ist Ihre Ausgrenzung von Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung.

In dem Podcast sprechen Sie (und die beiden anderen) nicht barrierefrei. Sie verwenden Fremdwörter und machen viel zu lange Sätze. Leichte/Einfache Sprache kommt in Ihrem Wortschatz offensichtlich nicht vor. Sie bemühen sich jedenfalls nicht darum.

Sie sprechen allgemein von Behinderung, meinen aber nur Menschen mit Einschränkungen in ihrer Mobilität. Wenn Sie den Begriff von Behinderung darauf beschränken, dann sagen Sie das bitte mal öffentlich.

Sagen Sie, Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger Behinderung gehören nicht in meine Vorstellung von Behinderung. In der gesamten Podcast-Reihe sind die Menschen mit Lernschwierigkeiten/geistiger oder psychischer Behinderung völlig unterrepräsentiert bzw. diese tauchen erst gar nicht auf.

Meine Erfahrung zum Beispiel ist: Haben Behindertenbeauftragte eine Körperbehinderung, dann haben es Menschen mit einer geistigen Behinderung schwer, Gehört zu finden. Im Wettbewerb um politisches Gehör oder Finanzmittel nutzen Körperbehinderte ihren Vorteil in der Kommunikation gegenüber den Menschen mit Lernschwierigkeiten oftmals gnadenlos aus.

Wie oft habe ich es in Veranstaltungen erlebt: Während der Mensch mit Lernschwierigkeiten noch nach Worten sucht, hat der Körperbehinderte seine Meinung längst rausgehauen. Ihr Podcast schloss Menschen mit Verständnisproblemen aus. Warum eigentlich? Gibt es nach Ihrer Vorstellung unter Behinderten eine Mehrere-Klassen-Gesellschaft? Kognitiv behinderte Menschen und nicht-kognitiv behinderte Menschen.

Wenn Sie das so sehen, ist das Ihr gutes Recht.

Aber dann sagen Sie es bitte mal laut und sprechen in Zukunft nicht mehr allgemein von Behinderung oder Behinderten. Eventuell interessiert Sie mein jüngster Blog, wie die Leichte Sprache in der Barrierefreiheit von Internetseiten vernachlässigt wird. Besonders mache ich Sie auf meinen Vergleich mit Rollstuhlfahrern aufmerksam. https://leichtgesagt.eu/barrierefreie-internetseiten-kommunen-haben-nachholbedarf

Freundliche Grüße Uwe Roth

Nächste Mail an Raul Krauthausen in Sachen Leichte Sprache

Hallo Herr Krauthausen,

Sie wollten wissen, welches Engagement mich antreibt. Nun engagiere ich mich seit sechs Jahren für die barrierefreie Kommunikation und bin mit diesem Thema Dozent an Fachschulen für soziale Berufe. Ich arbeite im Konsortium für eine DIN Leichte Sprache mit und bin im DIN-Verein Mitglied einer Arbeitsgruppe für eine mögliche DIN Einfache Sprache.

Zum anderen arbeite ich eng mit meiner Frau Susanne Hasel zusammen, die freie Beraterin in Einrichtungen der Behindertenhilfe ist. Gemeinsam besuchen wir Veranstaltungen, in der sowohl Menschen mit einer körperlichen Behinderung sind als auch Menschen mit Lernschwierigkeiten. Da können wir regelmäßig beobachten, wie Letztere in Diskussionen untergehen. Zumal die Moderation meistens auf Einfache Sprache keinen Wert legt bzw. dazu auch gar nicht in der Lage ist.

Ich hätte schon gerne gewusst, warum barrierefreie Kommunikation für Sie offensichtlich keine Bedeutung hat. Auch Ihre Internetseite dieneuenorm ist alles andere als barrierefrei. Das heißt, sie richtet sich nur an einen Teil der Menschengruppe mit einer Behinderung.

Wie bereits geschrieben, ist es Ihr gutes Recht, sich auf Themen zu beschränken, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen betreffen. Aber dann ist es meiner Auffassung nach von Ihrer Seite nicht fair, in der Öffentlich ganz allgemein von Menschen mit Behinderung zu sprechen.

Noch ein Versuch, Krauthausen zu einer Stellungnahme zu bewegen

Hallo Herr Krauthausen,

danke für die Links. Ich finde es aber schade, dass Sie auf den Inhalt meiner Mails nicht eingehen möchten.

Ich kann diese Nicht-Reaktion nur so verstehen, dass Sie sich als Aktivist innerhalb des Themas Inklusion tatsächlich, wie ich es vermute, lediglich für die Gruppe Menschen mit einer körperlichen Einschränkung zuständig fühlen. Für diese fordern Sie von der Gesellschaft Barrierefreiheit ein.

Für die übrigen Gruppen der Behinderten fühlen Sie sich dagegen nicht zuständig. Sie sind als Aktivist kein Unterstützer der barrierefreien Kommunikation. Ansonsten hätten Sie Ihre Internetseite entsprechend gestaltet. Habe ich das so richtig verstanden? Ich frage das nur, weil Sie in der Öffentlichkeit so auftreten, als sei Ihr Anliegen die Barrierefreiheit für alle Behinderten.

Mein Motiv, Krauthausen zu schreiben: Wer weiß schon, was Inklusion bedeutet?

Inklusion ist ein Alltagswort geworden. Scheinbar. Tatsächlich können Wenige erklären, was der Begriff bedeutet. Viele sind überzeugt, dass Inklusion sich darauf konzentriert, behinderte und nicht-behinderte Kinder in einer Schule gemeinsam zu unterrichten. Den Wenigsten ist klar, wie heterogen die Gruppe der Menschen mit Behinderung ist. Mich stört, dass Menschen mit einer körperlichen Behinderung und geistiger Fitness gerne vergessen, dass es Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt. Die aber gehören ebenfalls zum Kreis behinderter Menschen. Daran muss man anscheinend immer wieder erinnern. Sie haben Anspruch auf Inklusion. Dazu gehört die barrierefreie Kommunikation, inklusive der Leichten Sprache.

Siehe auch mein Angebot Unterricht an Fachschulen für soziale Berufe

Siehe auch mein Angebot Workshop öffentliche Verwaltung

Siehe auch mein Angebot Workshop Fachsprache


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert