Dieses Beitragsbild hat ein KI-Programm erstellt.

ChatGPT und Einfache Sprache bringen Call-Center in Zugzwang

Lesedauer 3 Minuten

„Reden Sie mit mir in Einfacher Sprache!“ Ich bin an einem Hotline-Mitarbeiter verzweifelt. Seine Anweisungen waren verwirrend und mit Fachbegriffen gespickt. Am Ende half mir ChatGPT aus meiner Patsche. Ist das Ende des klassischen Call-Centers und der Einzug der KI bereits eingeleitet? Jedenfalls bringen ChatGPT und Einfache Sprache Call-Center in Zugzwang. Das Beitragsfoto ist übrigens von einer KI erstellt.

Seit ich in den Gremien für die DIN 8581-1 Einfache Sprache mitarbeite, müssen Mitarbeitende im Service unter mir leiden. Warum? Wenn ich eine Mail nicht verstehe, bitte ich umgehend um eine besser verständliche Erklärung. Am liebsten in Einfacher Sprache.

Ich bin der zahlende Kunde und kein Bittsteller. Dieses neue Selbstbewusstsein gönne ich mir. Schließlich haben viele gute Leute an der DIN ISO 24495-1 Einfache Sprache/Plain Language mitgewirkt – und das weltweit. Tatsächlich lernt jeder von den Regeln, der mit Sprache Geld verdient.

Der Anspruch auf verständliche Informationen ist berechtigt. Ein weiterer Grund, Verständlichkeit einzufordern, ist ChatGPT.

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ChatGPT: natürlicher Hang zur Einfachen Sprache

Von Anfang an war ich von der klaren Gliederung der Antworten beeindruckt, die Künstliche Intelligenz (KI) auf meine Fragen formuliert. Ist eine Antwort kompliziert, fragt man die KI nach kürzeren Sätzen und Erklärungen für Fach-Begriffe. Die Überarbeitung erfolgt prompt. Warum bietet KI mir so selbstverständlich diesen Service, der von menschlichen Service-Mitarbeitenden leider nur selten geboten wird? Ist ChatGPT schon jetzt besser als so manche Kunden-Betreuer*innen, die von Regeln der Verständlichkeit keine Ahnung haben?

Ich spreche von mir als den klassischen Verbraucher und nicht von mir als einen Experten für Irgendwas, der bei kniffligen Problemen Spezialisten um Rat fragt. Ich benötige Laien-verständliche Antworten! Durch wie viele Briefe und E-Mails habe ich mich schon gequält. Wie viele Call-Center-Beschäftigte haben mich in ihrer Fachsprache zugelabert.

Ich habe das Gefühl, sie speisen mich mit Textbausteinen ab. Kunden-Service soll ja nicht viel Geld kosten. Deswegen würfelt man mehrere Textbausteine zu einem Dokument zusammen – in der Hoffnung, irgendwas wird dem Kunden schon passen. Nach dem Motto: viel hilft viel.

Relevante Informationen nicht irgendwo verstecken

In Dokumenten steht das Wichtigste oftmals irgendwo auf den hinteren Seiten und nicht gleich zu Beginn. Damit verstoßen sie gegen eine wichtige DIN ISO 24495-1-Regel: Mit dem Text die Erwartung der Lesenden zu erfüllen. Das heißt, ich muss gleich im ersten Satz erfahren, warum es für mich wichtig ist, die nächsten Sätze ebenfalls zu lesen.

Niemand will sich die relevanten Informationen aus einem umfangreichen Text herauspicken müssen. Beispiel: Ich lese einen Brief, der mich aufklären soll, ob ich eine Förderung erhalte. Es ist ein Unterschied, ob ich diese Auskunft gleich am Anfang erhalte (eher selten) oder erst am Ende des Schreibens.

Ich habe bereits vor Jahren beschlossen, grundsätzlich keine Verträge am Telefon abzuschließen. Ich bitte den telefonischen Kundendienst um ein Dokument zum Lesen. PDF oder Postweg – mir egal. Das, was ich zum Lesen bekommen, ist dann nicht in Einfacher Sprache. Aber das Lese-Tempo bestimme ich persönlich.

Abschnitte, die ich beim ersten Lesen nicht verstehe, lese ich ein weiteres Mal. Das kann mühsam sein, aber ist immer noch besser einen unverständlichen Menschen am Telefon zu haben. Der oder die kennt vielleicht das Produkt aber nicht die Sprache des Kunden.

Hotline-Mitarbeiter scheitert – ChatGPT nicht

Jüngst habe ich erlebt, wie ein Mitarbeiter eines Call-Centers am Wesentlichen gescheitert ist, mir bei der Lösung eines Problems zu helfen, was eigentlich seine Aufgabe ist. Das Problem war, ich konnte von einem Tag auf den anderen meine Internetseite nicht mehr bearbeiten. Der Admin-Zugang war blockiert. Keine Ahnung, warum das so war. Das wollte mir der Mitarbeiter (Support) der Firma (Provider), auf deren Servern meine Internet-Dateien liegen (gehostet sind), allerdings nicht glauben. Seine erste Vermutung lautete: Ich müsse irgendwas an den Einstellungen laienhaft geändert haben. Einer Schuld war ich mir nicht bewusst. Eine Schuld seitens des Providers wollte er nicht sehen.

Ich habe mit ihm fast eine Stunde herumgestritten. Im Gegensatz zu früher gab ich nicht mehr klein bei, sondern blieb hartnäckig. Ich komme über die Internetseite des Anbieters in den Admin-Bereich, um dort meine Internetseite zu pflegen. Dafür zahle ich an die Firma jeden Monat Geld.

Er fragte mich immer wieder, welche PHP-Version ich installiert habe. Falls diese Version ein Problem mache, müsse ich die vorherige Version wiederherstellen. Ob ich wisse, welche PHP-Version dies gewesen sei. Ich sagte ihm, er solle sich vorstellen, er gehe mit seinem Auto in die Werkstatt, weil die Bord-Elektronik spinnt. Was würde er dem Kfz-Meister auf dessen Frage antworten, welche Software-Version zuvor in seiner Bord-Elektronik installiert gewesen sei.

ChatGPT geht strukturiert vor – wir können von KI lernen

Nun gut, der Call-Center-Mitarbeiter scheiterte an meinem Problem und an meiner nachdrücklichen Forderung, mir die Fehlersuche verständlich zu machen. Ich fragte ChatGPT – ehrlich gesagt ohne Erwartung, eine praktikable Rückmeldung zu erhalten. Aber dem war nicht so. Die KI präsentierte drei mögliche Ursachen für den blockierten Admin-Bereich. Für jede beschrieb die KI einen Lösungsweg. Zwei konnte ich ausschließen.

Der dritte Weg führte tatsächlich zur Lösung. Ich kann meine Interseite wieder bearbeiten. Mir hat vor allem die klare Struktur, der logische Aufbau, gefallen. Die Sätze waren kurz. Jede Nachfrage machte die Antwort verständlicher.

Ich habe das Gefühl, KI hat einen natürlichen (?) Hang zur Einfachen Sprache. Hoffentlich bleibt das so.


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